«Die Afrikanische Union positioniert sich zunehmend als globale Stimme in Klimafragen»
Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen: Die Folgen des Klimawandels sind in den Ländern Afrikas besonders spürbar. Wie darauf reagiert werden kann, ist Thema einer Konferenz der Afrikanischen Union (AU), die vom 8. bis 10. September 2025 in Addis Abeba durchgeführt wird. Die Schweiz hat Beobachterstatus bei der AU und ist an der Konferenz durch Botschafter Philipp Stalder, Chef der Abteilung Afrika im Staatssekretariat des EDA vertreten. Für die Schweiz und das internationale Genf ist die AU eine wichtige Partnerorganisation in Afrika, insbesondere auch im Bereich Klima, Frieden und Sicherheit.

Lange Dürreperioden führen zu Ernteausfällen und gefährden die Ernährungssicherheit in Afrika. © Seed and Knowledge Initiative

Herr Botschafter, Sie nehmen Anfang September 2025 in Addis Abeba an der Konferenz der Afrikanischen Union zu Klimaproblemen in Afrika teil. Mit welchen Klimaproblemen ist der afrikanische Kontinent konfrontiert?
Afrika ist in besonderem Masse von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen – trotz seines vergleichsweise geringen Beitrags zu den globalen Emissionen. Extreme Wetterereignisse wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen treten häufiger auf und wirken sich unmittelbar auf die Ernährungssicherheit, Wasserversorgung und Gesundheit aus. Der Klimawandel verstärkt bestehende politische, soziale, ökonomische und ökologische Belastungen und erhöht damit das Risiko von Konflikten, wobei wir eine starke Wechselwirkung zwischen Klima und Sicherheit beobachten. Hinzu kommt, dass viele Staaten nur über eingeschränkte Infrastruktur, Institutionen und Finanzen verfügen, um auf solche Krisen zu reagieren. Damit werden die Folgen des Klimawandels oftmals verschärft.
Sie sprechen von Wechselwirkung zwischen Klima und Sicherheit. Wie bzw. wo zeigt sich das?
Die enge Verbindung zwischen Klima, Frieden und Sicherheit zeigt sich nirgendwo sonst so deutlich wie in Afrika. Beispielsweise im Tschadbecken geht die UNO davon aus, dass mehr als die Hälfte der Konflikte auf den verschärften Wettbewerb um Wasser und Weideland zwischen Hirten, Bauern und Fischern zurückzuführen sind. Der Klimawandel verstärkt dabei bereits bestehende Risiken und verlängert oder intensiviert die Konflikte. In Somalia und Südsudan führten extreme Wetterereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen in der Vergangenheit zu verstärkter Ernährungsunsicherheit und Vertreibungen. Die Auswirkungen des Klimawandels erhöhen die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse und damit das Konfliktrisiko.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union für die Schweiz?
Die Afrikanische Union ist eine wichtige Partnerin für die Schweizer Aussenpolitik in Afrika. Die Schweiz hat seit 2006 den Beobachterstatus bei der AU und ist mit einer Botschafterin in Addis Abeba bei der AU akkreditiert. Mit Interesse beobachten wir eine zunehmende Bedeutung des afrikanischen Multilateralismus. Die Themenbreite, zu welcher sich die AU als wichtige Akteurin positioniert, nimmt stetig zu – hier seien beispielsweise Umwelt, Gesundheit, aber auch die Aufnahme der AU in die G20 genannt. Die Initiativen der AU berühren somit vermehrt verschiedene Schwerpunktbereiche der Schweizer Aussenpolitik. Der afrikanische Multilateralismus ist entsprechend eine der Prioritäten der Afrika-Strategie 2025-28.
Von grosser Bedeutung für die Schweizer AU-Beziehungen ist die Zusammenarbeit im Bereich Frieden und Sicherheit, die im April 2016 in einem Memorandum of Understanding formalisiert wurde. In diesem Bereich unterstützt die Schweiz insbesondere den Aufbau der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA). Hier sei beispielsweise die personelle und finanzielle Unterstützung von «African Centers of Excellence» genannt, welche Peacekeeper aus- und weiterbilden.
Ein weiterer Fokus der Schweiz liegt auf den Beziehungen AU-UNO. Dazu fazilitiert die Schweiz insbesondere die Koordination politischer Akteure und Experten zwischen Addis Abeba und Genf. Auch nutzte die Schweiz ihren Einsitz im UNO-Sicherheitsrat 2023-24 zur Förderung der Beziehung zwischen diesen beiden multilateralen Organisationen. So lud sie 2023 eine der fünf AU Youth Ambassadors for Peace an eine Open Debate nach New York ein, und organisierte Gespräche zwischen hochrangigen Vertretern beider Organisationen im Rahmen ihres Vorsitzmonats des Sicherheitsrats im Oktober 2024.
Welche Rolle spielt die Schweiz an der Konferenz in Addis Abeba?
Mit unserer Teilnahme an der zweiten Klimakonferenz der Afrikanischen Union unterstreichen wir, dass die Schweiz die Bedeutung dieser Thematik für den Kontinent und die wichtige Rolle der AU anerkennt. Die AU positioniert sich zunehmend als globale Stimme in Klimafragen und verabschiedete im Februar 2022 die erste kontinentale Strategie zu Klimawandel und widerstandsfähiger Entwicklung (2022-2032). Die Konferenz fungiert auch als Vorbereitung auf die diesjährige COP30 in Brasilien. Wir engagieren uns im Bereich Klima, Frieden und Sicherheit und unterstützten die Erarbeitung der von der AU geplanten Common African Position on Climate, Peace and Security (CAP CPS) – eine Thematik, die auch an der Konferenz relevant ist.
Wo kann die Schweiz in afrikanischen Ländern konkret bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels helfen?
Für die Schweiz ist die Einhaltung internationaler Umwelt- und Menschenrechtsstandards ein zentrales Anliegen. Sie setzt sich in internationalen Foren zum Umweltschutz und Klimawandel ein und unterstützt die internationalen Bemühungen zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Dazu gehören bilaterale Abkommen mit afrikanischen Partnerländern zur Reduktion von CO₂-Emissionen, die einen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens leisten. Und über die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) finanzieren wir gezielt Projekte, die afrikanische Gemeinschaften und Staaten bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels unterstützen.
Mit welchen Staaten bestehen solche Abkommen?
Derzeit verfügen wir mit Malawi, Ghana, Senegal, Kenia, Marokko und Tunesien über solche Abkommen, weitere sind noch in Verhandlung. Zudem fördern wir nachhaltige Ernährungssysteme, die verantwortungsvolle Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und innovative Technologien, die auch Schweizer Unternehmen im Bereich Clean Tech beisteuern können.
Wie weit beeinflusst – oder erleichtert – die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union die bilateralen Beziehungen der Schweiz zu den einzelnen afrikanischen Staaten?
Die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union bietet der Schweiz die Möglichkeit, die bilateralen Beziehungen zu den 54 afrikanischen Staaten zusätzlich zu stärken. Darüber hinaus ist die AU eine wichtige Partnerin für das Internationale Genf. Der Austausch zwischen regionalen multilateralen Zentren ist wichtig, um globale Herausforderungen effizient anzugehen. Viele der globalen Themen, welche die internationale Gemeinschaft und die Schweiz in Genf bearbeiten, überschneiden sich mit den Schwerpunkten der AU, wie z.B. Menschenrechte, Gesundheit, Migration, Klimawandel sowie Frieden und Sicherheit.
Seit diesem Jahr setzt der Bund die Afrika-Strategie 2025-28 des Bundesrates um. Welches sind – neben der verstärkten Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union – das hauptsächliche Ziel der Strategie?
Die Bevölkerung in Afrika ist vergleichsweise jung, wächst in vielen Ländern rasant und wird in den kommenden Jahrzehnten entscheidend zur globalen Entwicklung in so vielerlei Hinsicht beitragen. Die Strategie erkennt sowohl die Notwendigkeit wie auch die Chance, die Beziehungen zu diesem dynamischen und aufstrebenden Kontinent zu stärken. Abgeleitet vom Kernauftrag der Aussenpolitik – die Wahrung von Sicherheit, Wohlstand und Unabhängigkeit der Schweiz – reichen die Interessen der Schweiz in Afrika von Wirtschaft und Entwicklung über Sicherheit bis hin zu multilateraler Zusammenarbeit, Frieden, Demokratie und Migration. Als wichtig erachtet es der Bundesrat zudem, dem volatilen Kontext und raschen Wandel stets Rechnung zu tragen, um mit unseren aussenpolitischen Instrumenten eine optimale Wirkung zu erzielen.
Lässt sich die Umsetzung der Strategie bereits an einzelnen Beispielen illustrieren?
Bereits nach wenigen Monaten trägt die Strategie ihre ersten Früchte. Als Beispiel sei auf die engere Verknüpfung Genfs mit der Afrikanischen Export-Import-Bank (Afreximbank) verwiesen. Die Stärkung der strategischen Partnerschaft mit dieser multilateralen afrikanischen Finanzinstitution und ganz konkret die Bewerbung Genfs für ein Europabüro der Bank sind Ziele der Strategie. Die intensivierte Partnerschaft konnte im Juni 2025 vorangetrieben werden und die Eröffnung des Europabüros der Afreximbank in Genf ist mittlerweile bestätigt. Dies ist ein vielversprechendes Beispiel - nicht zuletzt, da die Zielerreichung im Zusammenspiel verschiedener Departemente der Bundesverwaltung erreicht wurde. Wir erhoffen uns davon neue Impulse und Geschäftsmöglichkeiten für die Schweizer Exportwirtschaft in Afrika. Ein anderes konkretes Beispiel: Die Schweiz treibt, wie oben erwähnt, die Umsetzung ihrer Klimavereinbarungen gemäss Artikel 6 des Pariser Übereinkommens voran: Als erster Transfer dieser Art mit einem afrikanischen Land konnte in diesem Jahr mit Ghana über 11'000 Emissionsgutschriften (ITMO) an die Schweiz übertragen werden.