«Der Erweiterungsbeitrag hat sich positiv auf die bilateralen Beziehungen der Schweiz zu den EU-13-Ländern ausgewirkt»
Nur wenige Wochen nach dem Verzicht auf das Rahmenabkommen mit der EU setzt sich der Bundesrat für die Freigabe des zweiten Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten ein. Die entsprechenden Rahmenkredite sollen zur Stärkung des Zusammenhalts innerhalb der EU und zu einer besseren Steuerung der Migration in Europa beitragen. Ruth Huber, Chefin des Direktionsbereichs Ostzusammenarbeit der DEZA, beantwortet unsere Fragen.
Dank des Schweizer Programms in Polen konnte die Luftqualität verbessert werden, und die CO2-Emissionen wurden um jährlich 88’000 Tonnen reduziert © SECO
Auch wenn die Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU Ende Mai 2021 beendet wurden, möchte der Bundesrat die bewährte bilaterale Zusammenarbeit fortführen. An seiner Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, dem Parlament die Freigabe des zweiten Schweizer Beitrags zu beantragen.
Das Parlament hatte den Beitrag im Dezember 2019 grundsätzlich gutgeheissen. Es knüpfte die Auszahlung jedoch an eine Nichtdiskriminierungsbedingung und blockierte damit die Umsetzung. Diese Bedingung soll nun aufgehoben werden. Der Bundesrat möchte den zweiten Beitrag freigeben, um unseren Beziehungen zur EU neuen Schwung zu verleihen und die Glaubwürdigkeit der Schweiz als verlässliche Partnerin zu stärken.
Die Schweiz muss einen Beitrag zu einem sicheren, stabilen und florierenden Europa leisten, um auch ihren eigenen Wohlstand langfristig zu sichern. Es ist in ihrem ureigenen Interesse, sich auch weiterhin mit ihrem Know-how für die Stärkung des Zusammenhalts in Europa und eine bessere Steuerung der Migration zu engagieren. Mit einem zweiten Beitrag kann die Schweiz zudem ihre bilateralen Beziehungen mit den Partnerländern und der gesamten EU stärken. Darauf hat der Bundesrat wiederholt hingewiesen.
Fünf Fragen an Ruth Huber, Chefin Ostzusammenarbeit
Die erste Kohäsionsmilliarde wurde 2007 bewilligt. Haben wir die damals gesetzten Ziele erreicht?
Der Erweiterungsbeitrag hat sich Ziele in den Bereichen Umwelt, öffentliche und soziale Sicherheit, wirtschaftliches Wachstum, und zur Stärkung der Zivilgesellschaft gesetzt. Die Bilanz des Erweiterungsbeitrags ist insgesamt sehr positiv. Verschiedene externe Evaluationen und Berichte bestätigten, dass die gesetzten Ziele in der Mehrheit der Projekte erreicht oder sogar übertroffen wurden.
So konnte die Nutzung von erneuerbaren Energien in einigen Partnerländern in privaten Haushalten und öffentlichen Gebäuden erhöht werden. Auch im sozialen Bereich gibt es interessante Resultate: so wurde in Bulgarien ein System der häuslichen Pflege für Betagte nach dem Vorbild der Schweizer Spitex eingeführt.
In Kroatien läuft der Erweiterungsbeitrag noch bis Ende 2024.
Hatte dieser erste Beitrag auch unerwartete Wirkungen?
Der Erweiterungsbeitrag hat das Image der Schweiz in den Partnerländern gestärkt. Dies wurde nicht so stark erwartet. Dies hat sich positiv auf die bilateralen Beziehungen ausgewirkt. Zudem gab es ein grosses Interesse an einer Zusammenarbeit sowohl von Organisationen in der Schweiz wie auch in den Partnerländern. Diese intensive Zusammenarbeit fördert den Wissens- und Erfahrungsaustausch und ist für die Vernetzung der Schweiz in Europa sehr wertvoll. So hat z.B. das Forschungsprogramm SCIEX nicht nur Doktoranden und Post-Doktorandinnen erlaubt, in der Schweiz ihre Forschung voranzutreiben. Es hat auch die Vernetzung von schweizerischen akademischen Instituten mit Institutionen im europäischen Ausland gestärkt.
Es hat sich gezeigt, dass die Partnerländer ein starkes Interesse an Schweizer Expertise und Partnerschaften haben. Diese Zusammenarbeit soll daher auch im zweiten Beitrag verfolgt werden.
Der zweite Schweizer Beitrag soll nicht nur den Zusammenhalt der EU fördern, sondern auch zu einer besseren Steuerung der Migration beitragen. Können Sie mehr dazu sagen?
Der zweite Schweizer Beitrag ist in zwei Rahmenkredite unterteilt. Der Hauptteil ist vergleichbar mit dem ersten Beitrag, dem Erweiterungsbeitrag, welcher der Kohäsion innerhalb der EU Mitgliedsstaaten gewidmet ist. Der zweite Rahmenkredit soll das Migrationsmanagement in EU-Mitgliedsstaaten stärken, die besonders von Migrationsbewegungen betroffen sind. Das Staatssekretariat für Migration ist verantwortlich für diesen Teil des Beitrags in der Höhe von CHF 200 Mio. Mit diesen Mitteln sollen betroffene Staaten in ihren Anstrengungen unterstützt werden, ein effizientes und wirksames Migrationsmanagement aufzubauen und innerhalb von Europa zu harmonisieren. Die Schweiz hat ein Interesse daran, so zur Verringerung der irregulären Migrationsbewegung in Europa beizutragen.
Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass die Gelder möglichst rasch freigegeben werden. Gibt es dazu ein Abkommen mit der EU oder eine Vielzahl von bilateralen Abkommen direkt mit den Partnerländern?
Die Schweiz setzt den zweiten Schweizer Beitrag autonom um. Wir planen mit allen Ländern bilaterale Umsetzungsabkommen abzuschliessen, welche die Regeln und den Programminhalt beschreiben. Die Partnerländer sind für die Umsetzung der Projekte verantwortlich.
Mit der EU plant die Schweiz ein rechtlich nicht bindendes «Memorandum of Understanding» abzuschliessen, das die Eckwerte des zweiten Beitrags zusammenfasst.
Die DEZA arbeitet dabei eng mit dem SECO, aber auch mit dem SBFI und dem SEM zusammen. Diese Bündelung der Kompetenzen ist wichtig...
Für den Rahmenkredit Kohäsion sind das SECO und die DEZA je hälftig zuständig. Das SBFI ist stark involviert, insbesondere für die geplanten Themenschwerpunkte im Berufsbildungsbereich und in der Forschung. Das SEM ist für den Rahmenkredit Migration zuständig. Andere Bundesämter wie das FEDPOL sind ebenso beteiligt, beispielsweise für Programme im Sicherheitsbereich (Menschenhandel oder Polizeiarbeit). Die Zusammenarbeit der einzelnen Bundesämter wird eng koordiniert, so dass jede Organisationseinheit ihre Kompetenzen und Stärken einbringen kann.
Ruth Huber, Botschafterin, Vize-Direktorin, Leiterin des Bereichs Ostzusammenarbeit
Ruth Huber arbeitet seit 1996 im EDA, in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, DEZA. Sie war während vier Jahren im DEZA-Kooperationsbüro in Bolivien im Einsatz und war danach in der DEZA in Bern tätig, als stellvertretende Leiterin der Abteilung «Arbeit und Einkommen» sowie als stellvertretende Leiterin des Bereichs und Leiterin a.i. des Direktionsbereichs Globale Zusammenarbeit.
Von 2011 bis 2015 hatte Frau Ruth Huber die Leitung des regionalen DEZA-Programms in Laos, Kambodscha und Vietnam inne. Von 2015 bis Februar 2018 war sie als Schweizer Botschafterin in Simbabwe und Malawi im Einsatz.
Seit März 2018 leitet Frau Ruth Huber als Botschafterin und Vize-Direktorin der DEZA den Direktionsbereich Ostzusammenarbeit in der DEZA in Bern.
Vor ihrem Eintritt ins EDA war Frau Huber als Delegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, IKRK, tätig. Sie verfügt über einen Masterabschluss in Internationalen Beziehungen der Universität St. Gallen.