Frankophonie und Digitalisierung: Know-how Genfs als Mehrwert

Die internationale Debatte über die digitale Gouvernanz findet mehrheitlich in Genf statt. Genf ist nicht nur humanitäre Hauptstadt, sondern verfügt auch über ein ausgedehntes Ökosystem des Multilateralismus. Bei der Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung spielt die Stadt deshalb eine zentrale Rolle. Bundespräsident Ignazio Cassis bringt diese Erfahrung am 18. Frankophoniegipfel in Djerba als Mehrwert ein.

Plakat zur Ankündigung des Frankophoniegipfels, der dieses Jahr auf Djerba stattfindet.

Die Konnektivität steht im Mittelpunkt der Diskussionen des Gipfels und orientiert sich an der Digitalisierung als «Vektor für Entwicklung und Solidarität im frankophonen Raum». © Bundeskanzlei

Wer hätte Anfang der 2000er-Jahre gedacht, dass das Internet in unserem Alltag einen so allgegenwärtigen Platz einnehmen würde? Wohl in erster Linie die Visionärinnen und Visionäre unter uns. War es abzusehen, dass die neue Technologie auch neue Herausforderungen mit sich bringen würde? Zweifellos. Bereits 2003 setzte sich die Schweiz dafür ein, die digitale Kluft, das heisst die Ungleichheit beim Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien, zu verringern. Im internationalen Genf fand damals die erste Phase des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft statt. Seitdem gilt Genf weltweit und insbesondere im französischsprachigen Raum, der spezifische Merkmale und Herausforderungen aufweist, als internationale Referenz im Bereich der digitalen Gouvernanz. 

Genf als Referenz für die digitale Frankophonie

frankophonen digitalen Raum – das Web ist global. Dennoch teilen etliche Länder, welche die französische Sprache vereint und die sich in der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF) zusammengeschlossen haben, im Bereich der Digitalisierung gemeinsame Werte und Herausforderungen. Der 18. Frankophoniegipfel, der heute in Djerba beginnt und an dem auch Bundespräsident Ignazio Cassis teilnimmt, verkörpert diese gemeinsamen Anliegen. Das Thema des hochrangigen Treffens lautet «Digitalisierung als Instrument für Entwicklung und Solidarität im französischsprachigen Raum», was im Einklang mit der im Dezember 2021 verabschiedeten Digitalstrategie 2022–2026 der OIF steht. 

Die Mitgliedstaaten und -regierungen der Frankophonie (...) fördern die Entwicklung eines Rahmens und eines Umfelds, die der Nutzung und Aneignung digitaler Technologien förderlich sind, um sie im französischsprachigen Raum zu einem Werkzeug und einem Treiber für Inklusion sowie menschliche, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu machen.
Digitalstrategie der Frankophonie 2022–2026

Die Realität ist allerdings noch weit von diesem Ideal entfernt. Eine von der Abteilung Afrika und Frankophonie des EDA in Auftrag gegebene Studie hat Verzögerungen bei den digitalen Transformationsprozessen in Afrika festgestellt. Im Vergleich zu anderen Teilen der Welt ist die Internetdurchdringung in Afrika verhältnismässig tief. Nun werden Schritte zur Verabschiedung politischer Massnahmen unternommen, die den Einsatz digitaler Technologien als Motor für eine integrative Entwicklung fördern sollen. Zudem gibt es beträchtliche Anstrengungen, um Afrika in der globalen digitalen Gouvernanz mehr Gewicht zu verleihen. 

Herausforderungen für die Schweiz in der digitalen Frankophonie

Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Staaten posieren vor einem Poster des Weltgipfels über die Informationsgesellschaft in Genf.
Seit Jahrzehnten steht Genf im Zentrum der digitalen Herausforderungen. Im Jahr 2003 wurden auf dem Weltgipfel über die Informationsgesellschaft die Grundlagen für die Überwindung der digitalen Kluft gelegt. © UNO Genf

Im Mittelpunkt der Debatten des 18. Frankophoniegipfels steht wie gesagt die Digitalisierung. Bei seiner Reise nach Djerba hat Bundespräsident Ignazio Cassis das Schweizer Know-how und die einschlägige Erfahrung des internationalen Genf im Gepäck. Beim Treffen geht es insbesondere um die digitale Gouvernanz, eine der Prioritäten der aussenpolitischen Strategie der Schweiz. Der Gipfel bietet die Gelegenheit, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu stärken und sicherzustellen, dass alle relevanten Akteure einbezogen werden.

Zu den Themen, die Bundespräsident Cassis bei den Gesprächen über die Zukunft der Frankophonie erörtern wird, gehören die Priorisierung der Digitalisierung in der politischen Agenda, die Erarbeitung von Strategien für mehr Einfluss bei der internationalen Gouvernanz und die Ausbildung im Bereich der Digitalisierung. Die Diskussionen könnten durchaus im internationalen Genf fortgesetzt werden, das für sein produktives Ökosystem auf diesem Gebiet hohe Anerkennung geniesst.

Genf: Multilateralismus im Dienste der Digitalisierung

Bundespräsident Ignazio Cassis fasste die Situation in einem Interview anlässlich der Digitaltage 2020 zusammen:

Genf ist heute bekannt für Frieden und Menschenrechte und für die humanitäre Tradition. Diese Stärken bestehen weiterhin, werden aber vermehrt digitalisiert.
Ignazio Cassis, Bundesrat

Am französischsprachigen Sitz der UNO pflegt die Schweiz seit Jahren ihre Tradition als Brückenbauerin und stellt diese auch in den Dienst des digitalen Wandels. Die Neutralität der Schweiz und ihre Politik der guten Dienste schaffen Vertrauen und erleichtern es ihr, sich als Vermittlerin in einem sich verändernden Umfeld der Digitalisierung zu positionieren.

Eine weitere Stärke Genfs: sein produktives Ökosystem des Multilateralismus. Das internationale Genf fungiert als operative Plattform für die Umsetzung der Agenda 2030 und deren 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Generell ist die Schweiz dank ihrer Technischen Hochschulen und Forschungsinstitute im Bereich der neuen Technologien führend. Innovative Unternehmen, die zu den Branchenleadern gehören, haben ihren Sitz in der Schweiz.

Darüber hinaus sind wichtige internationale Organisationen und NGO, die sich an der Debatte über den digitalen Wandel beteiligen, am Genfersee angesiedelt, wie das Sekretariat des Internet Governance Forum der UNO (IGF) oder die Stiftung Geneva Science and Diplomacy Anticipator (GESDA), die vom Bundesrat gegründet wurde, um den Austausch zwischen Expertinnen und Experten der Wissenschaft und der Diplomatie über die sozialen Herausforderungen der neuen Technologien zu fördern. Durch das CERN hat das internationale Genf bereits eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Internets gespielt.

Parallel zu den zahlreichen Aktivitäten des Genfer Ökosystems hat die Schweiz auch Instrumente geschaffen, mit denen sich all diese Erfahrungen in die Praxis umsetzen lassen. So hat der Bundesrat 2021 seine erste Strategie Digitalaussenpolitik verabschiedet. Diese sieht vor, dass die Schweiz insbesondere im französischsprachigen Raum Massnahmen ergreift, um Staaten bei der digitalen Transformation zu unterstützen, damit diese in Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung die Digitalisierung zum Vorteil der gesamten Wohnbevölkerung nutzen. 

Tradition der guten Dienste, ein nutzbringendes Netzwerk im internationalen Genf und eine Strategie für die Digitalpolitik: Vorteile, die die Schweiz im Umgang mit den Herausforderungen der Digitalisierung im französischsprachigen Raum und weltweit zu einer Referenz machen.

Die Schweiz im Dorf der Frankophonie: ein Querschnitt durch das internationale Genf

Am Rande des Gipfels in Djerba ist das traditionelle Dorf der Frankophonie vom 13. bis 20. November 2022 für die Öffentlichkeit zugänglich. Dort wird anhand konkreter Beispiele gezeigt, wie viel die Schweiz dem französischsprachigen Raum zum Thema Digitalisierung bieten kann.

Vier Organisationen mit Sitz im internationalen Genf sind dort vertreten. Die Auswahl ist keineswegs zufällig: alle vier sind in Bereichen tätig, die für die Frankophonie von vorrangiger Bedeutung sind.

Die Aktivitäten im Schlüsselbereich der digitalen Gouvernanz veranschaulicht die schweizerisch-maltesische NGO DiploFoundation. Sie setzt sich insbesondere dafür ein, die Rolle der kleinen Staaten und der Entwicklungsländer in der globalen Diplomatie zu verbessern. Konkretes Beispiel: der Summit on Digital Diplomacy and Governance, der am 18. und 19. November 2022 in Malta stattfindet. Diese Organisation betreibt auch die Geneva Internet Platform, die kürzlich eine zweite Ausgabe des Geneva Digital Atlas, einer Kartografie der digitalpolitischen Akteure in Genf, veröffentlicht hat. Die Analystinnen und Analysten der Plattform verfassen ausserdem den Newsletter Digital Watch, ein wichtiges Informationsmedium über die neuesten Entwicklungen in diesem Bereich.

Etwas weiter zeigt GESDA, die andere vom Bundesrat gegründete Stiftung, wie erfolgreich das Ökosystem des internationalen Genf funktioniert, indem es konkrete Entwicklungen in den Bereichen Wissenschaft und Innovation antizipiert, beschleunigt und verwirklicht.

Das Projekt International Digital Health & AI Research Collaborative (I-DAIR) präsentiert seine Strategien zur Verbesserung des Zugangs zu verantwortungsvoller Forschung in den Bereichen digitale Gesundheit und künstliche Intelligenz zum Vorteil der Gesundheit.

Schliesslich hat auch die von der UNICEF und der Internationalen Fernmeldeunion getragene GIGA-Initiative einen Stand in Djerba. Diese hat das Ziel, alle Schulen mit dem Internet zu verbinden und allen Jugendlichen den Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Sie widerspiegelt das starke Engagement der Schweiz bei der Förderung von Bildung und Konnektivität.

Zum Anfang