Der fünfte Tessiner Bundespräsident

Der achte Tessiner Bundesrat wird der fünfte Tessiner Bundespräsident: Ignazio Cassis wurde vom Parlament zum Bundespräsident gewählt und wird damit 2022 «primus inter pares» im Bundesrat. Er tritt in grosse Fussstapfen. Der erste Tessiner Bundespräsident war Giuseppe Motta, der in seiner langen Amtszeit gleich fünfmal diese Rolle bekleidete, die vornehmlich repräsentativer Natur ist.

Flavio Cotti und Ignazio Cassis an der Bundesratsfeier.
Der vierte und der spätere fünfte Tessiner Bundespräsident begegnen sich an der Bundesratsfeier von Ignazio Cassis in Bellinzona in 2017. © Keystone

Ignazio Cassis ist der fünfte Tessiner, der das Amt der Bundespräsidentschaft bekleidet. Er ist jedoch der achte Tessiner, der Bundesrat wurde. Der erste Tessiner im Bundesrat war Stefano Franscini, der dieses Amt von 1848 bis zu seinem Tod 1857 innehatte. Er erwarb sich grosse Verdienste für die damals arme Eidgenossenschaft und war ein fleissiger Datensammler. So organisierte er die erste Volkszählung der Schweiz und arbeitete an wichtigen Gesetzesprojekten mit. Er wurde nie Bundespräsident – da er zunehmend an Schwerhörigkeit litt und ein stiller Schaffer war, hat ihn die Vereinigte Bundesversammlung nie zum Bundespräsidenten gemacht.

Damals wurde dieses Amt noch nicht wie heute im Rotationsprinzip vergeben, sondern per Abstimmung durch die Bundesversammlung. Aus diesem Grund wurde auch sein Nachfolger – Giovanni Battista Pioda – nie zum Bundespräsident. Er trat die Nachfolge von Stefano Franscini 1857 an und blieb bis 1864 im Bundesrat. 

Zeitstrahl der Tessiner Bundesräte.
Acht Tessiner waren bisher im Bundesrat, doch nur fünf wurden Bundespräsident. © EDA

Ein Rekordbundesrat als erster Tessiner Bundespräsident

Giuseppe Motta war der erste Tessiner Bundespräsident der Schweizerischen Eidgenossenschaft, und er war es während seiner langen Amtszeit von 28 Jahren gleich fünfmal. Möglich wurde das, weil ab den 1890er Jahren das Rotationsprinzip eingeführt wurde, nach dem jede Bundesrätin oder jeder Bundesrat seinem Dienstalter entsprechend für ein Jahr Bundespräsidentin oder Bundespräsident wird. Giuseppe Motta leitete während seiner Bundespräsidentschaft das Politische Departement, wie das Department für auswärtige Angelegenheiten EDA vor 1979 hiess. Er setzte sich für den Beitritt der Schweiz in den Völkerbund ein und dafür, dass die Neutralität der Schweiz innerhalb des Völkerbundes akzeptiert wurde. Selber begeisternder Redner, machte er sich für die Sprachenvielfalt der Schweiz stark.

«Einer der fundamentalen Rechtsgrundsätze, die den eidgenössischen Staatsgedanken begründen, liegt im Prinzip der Gleichberechtigung der Sprachen.»

Giuseppe Motta zur Anerkennung des Rätoromanischen als vierte Landessprache

Im Kriegsjahr 1943 wurde Enrico Celio, seines Zeichens der vierte Tessiner Bundesrat, Bundespräsident. In seiner Amtszeit von 1940 bis 1950 wurde er dies 1948 noch ein zweites Mal. Der nächste Tessiner im Bundesrat wurde trotz des Rotationsprinzips nicht Bundespräsident, Giuseppe Lepori bekleidete 1959 das Amt des Vizepräsidenten. Er war im Bundesrat seit 1954 und trat zurück, bevor er Bundespräsident wurde. Der sechste Tessiner im Bundesrat, Nello Celio, wurde 1972 der dritte Tessiner Bundespräsident der Schweiz. 

Die Rolle des Bundespräsidenten

Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo der Staatspräsident mit der grössten Machtfülle ausgestattet ist, ist das Bundespräsidium in der Schweiz repräsentativer Natur. Bundespräsident Cassis wird 2022 den Bundesrat überall da vertreten, wo dieser nicht in seiner Gesamtheit auftritt. Das heisst insbesondere bei Staatsbesuchen im In- und Ausland. Er hält weiter die Ansprachen an Neujahr und dem Bundesfeiertag sowie weitere Radio- und Fernsehansprachen.

Grundlagen des Bundespräsidiums

Traditionell Bundesräte aus historischen Parteien

Von 1987 bis 1999 war der siebte Tessiner im Bundesrat: Flavio Cotti wechselte 1993 vom Innendepartement EDI ins EDA und wurde 1991 und 1998 Bundespräsident. Es sollte 18 Jahre dauern, bis wieder ein Tessiner in den Bundesrat gewählt wurde. Ignazio Cassis wurde am 20. September 2017 in den Bundesrat gewählt. Er trat die Nachfolge von Didier Burkhalter an, und wurde am 1. November 2017 Vorsteher des EDA. Wie Didier Burkhalter gehört Ignazio Cassis der FDP an, womit alle Tessiner Bundesräte neben ihrer Herkunft etwas gemeinsam haben: Sie entstammen alle der der FDP oder der CVP, die als die historischen Parteien der Schweiz gelten können. Aus ihrem Kampf um Ideen entstand 1848 die moderne Schweiz.

Ärzte im Bundesrat

Noch länger als Giuseppe Motta war Adolf Deucher Bundesrat, nämlich ganze 29 Jahre (1883‒1912). Selber Arzt, machte er sich für die Errichtung einer staatlichen Krankenversicherung stark und gilt als Wegbereiter der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt SUVA. Er ist zudem neben Ignazio Cassis der einzige Arzt, der je Bundesrat wurde.

Letzte Aktualisierung 01.01.2023

Zum Anfang