Schweizer Engagement in der humanitären Minenräumung 2022

Jeden Tag töten und verletzen Minen und andere Kampfmittelrückstände Dutzende von Menschen. Die Opferzahlen sind in den letzten Jahren wieder angestiegen. Die Schweiz setzte deshalb 2022 ihr weltweites Engagement in der humanitären Minenräumung fort. Mit insgesamt 17,5 Millionen CHF und Aktivitäten in 20 Ländern förderte sie den Schutz der Zivilbevölkerung und die Umsetzung der relevanten Abkommen.

Weltkarte mit eingezeichneten Ländern, wo die Schweiz in der humanitären Minenräumung aktiv ist.

Das Engagement der Schweiz in der humanitären Minenräumung 2022. © Natural Earth Data, EDA, VBS, UNO

Die Schweiz engagiert sich seit gut 30 Jahren im Bereich der humanitären Minenräumung. Im Jahr 2022 wendete die Schweiz dafür rund 17,5 Millionen CHF auf. Mit ihrem Engagement fördert sie die Minenräumung, die Opferhilfe, die Aufklärung über die Gefahren von Minen und anderen Kampfmitteln und die Stärkung lokaler Kapazitäten. Die Schweiz unterstützte 13 Staaten direkt durch die Finanzierung von Projekten und entsandte 14 Experten in insgesamt sieben Kontexte. Zudem setzte sie sich auf diplomatischer, rechtlicher und praktischer Ebene dafür ein, dass die relevanten Übereinkommen universell umgesetzt werden.

Ziele der humanitären Minenräumung

Die humanitäre Minenräumung trägt dazu bei, die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen von Minen und anderen Kampfmitteln, wie z.B. Blindgängern, zu lindern. Dabei geht es einerseits direkt um das Verhindern von Unfällen und neuem Leid. Anderseits will sie die nachhaltige Entwicklung der betroffenen Gemeinschaften wieder ermöglichen. Deshalb umfasst sie neben den eigentlichen Räumarbeiten auch die Aufklärung über die Gefahren von Minen und anderen Kampfmittelrückständen, die Opferhilfe, die Überzeugungsarbeit für die Ächtung von Personenminen und Streumunition sowie die Vernichtung von Lagerbeständen.

Die fünf Pfeiler der humanitären Minenräumung: 1. Minenräumung, 2. Aufklärung über Gefahren, 3. Opferhilfe, 4. Überzeugungsarbeit und 5. Vernichtung der Lagerbestände
Die fünf Pfeiler der humanitären Minenräumung: 1. Minenräumung, 2. Aufklärung über Gefahren, 3. Opferhilfe, 4. Überzeugungsarbeit und 5. Vernichtung der Lagerbestände. © EDA, VBS

Nachfolgend finden sich Beispiele, die das weltweite Engagement der Schweiz in verschiedenen Bereichen der humanitären Minenräumung illustrieren.

Überzeugungsarbeit für die Ächtung von Personenminen und Streumunition

Gruppenfoto der Teilnehmenden am Universalisierungsworkshop des Übereinkommens über Streumunition in Abuja.
Die Teilnehmenden am Universalisierungsworkshop des Übereinkommens über Streumunition in Abuja. © ISU CCM

Die Schweiz setzte sich dafür ein, dass die Übereinkommen über Personenminen und Streumunition von allen Staaten unterzeichnet und eingehalten werden (sogenannte «Universalisierung»). Konkret co-organisierte die Schweiz, die Abteilung Frieden und Menschenrechte (AFM) des EDA, am 23./24. März 2022 einen Workshop zur Universalisierung des Übereinkommens über Streumunition in Abuja, Nigeria. Mehrere teilnehmende Staaten verkündeten am darauffolgenden Vertragsstaatentreffen, dass sie Schritte in Richtung eines Beitritts unternähmen. Nigeria wurde 2023 der 111. Vertragsstaat des Übereinkommens.

Um das Verständnis über die Fortschritte und Herausforderungen bei der Umsetzung der Übereinkommen zu stärken, unterstützt die AFM die Forschungsprojekte «Landmine Monitor», «Cluster Munition Monitor» und «Mine Action Review». Ihre Daten und Analysen sorgen für Transparenz in diesem Bereich und sind wichtig für die Entwicklung einer faktenbasierten Politik. Die Schweiz fördert zudem den Dialog mit nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen im Hinblick auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der grundlegenden Regeln der relevanten Abkommen.

Räumung von Minen und anderen Kampfmitteln

Die Räumung von Minen und anderen Kampfmitteln verhindert Leid und trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Vertriebene Personen können zurückkehren, Felder wieder bewirtschaftet und zerstörte Infrastruktur wieder aufgebaut werden.

In Kambodscha ermöglicht die Minenräumung eine nachhaltige Entwicklung

30 Jahre Konflikt haben dazu geführt, dass das Königreich Kambodscha stark mit Minen und anderen Kampfmitteln belastet ist. Mehr als 60% des betroffenen Gebiets wurde bereits geräumt, aber riesige Gebiete sind weiterhin belastet. Die Schweiz (DEZA) unterstützt die Aktivitäten der Organisation «Halo Trust», eine international tätige Minenräumorganisation, um alle Arten von explosiven Gegenständen zu finden und zu zerstören. Dank dieser Unterstützung wurden im Jahr 2022 über 800’000 m2 geräumt und über 1 Million m2 freigegeben.

Ein Mann und eine Frau stehen neben einem Orangenbaum.
Group photo of participants at the Convention on Cluster Munitions (CCM) universalisation workshop in Abuja. © Halo Kambodscha, South Soth

Im Jahr 2004 zogen Ros Phanty und Dam Dina in das Dorf Samraong im Westen Kambodschas. Aufgrund der starken Belastung durch Minen war die Bewirtschaftung ihres Landes extrem gefährlich. Ein von der Schweiz finanziertes Team von «Halo Trust», wurde eingesetzt und beendete die Räumung 2022. Heute können Phanty und Dina Orangenbäume pflanzen und ihre Kinder können sicher auf ihrem Land spielen und ohne grosse Umwege zur Schule gehen.

Eine Minenräumerin von «Halo Trust» mit einem Schweizerkreuz steht neben einem Minenfeld.
Eine Minenräumerin von «Halo Trust». © Try Phal, HALO Kambodscha

Aufklärung über Gefahren von Minen und anderen Kampfmitteln

Die Aufklärung über die Gefahren von Minen und anderen Kampfmitteln verhindert neue Unfälle, fördert Verhaltensänderungen und rettet Leben. Angesichts des jüngsten Anstiegs neuer Opfer weltweit ist dieses Engagement besonders wichtig.

In Kolumbien verhindert die Gefahrenaufklärung neue Unfälle

Nach mehr als sechs Jahrzehnten bewaffneten Konflikts ist Kolumbien nach wie vor das am stärksten von Minen betroffene Land in Nord- und Südamerika. Trotz erheblicher Fortschritte bei der Räumung der verminten Gebiete ist die Zahl der Minenopfer in den letzten Jahren wieder gestiegen. Die Schweiz (DEZA) unterstützt weiterhin einen umfassenden Ansatz. Die Aufklärung über Minenrisiken ist nach wie vor ein wichtiger Pfeiler bei der Rettung von Menschenleben und kam im Jahr 2022 mehr als 12’000 Menschen in ländlichen Gebieten zugute, von denen mehr als die Hälfte weiblich waren.

In einem Raum unterrichten Experten eine Klasse über die Gefahren von Minen.
Die Schulklassen in Caquetá werden durch Expertinnen und Experten der Organisation «Humanicemos» über die Gefahren von Minen unterrichtet. © Humanicemos

Im südkolumbianischen Caquetá tötete im Juni 2022 ein Sprengkörper 200 Meter von einer öffentlichen Schule entfernt vier Menschen, darunter ein Kind. Sofort führte ein von der Schweiz finanziertes Team von «Humanicemos» in der Schule Workshops zur Aufklärung über Minenrisiken durch, um weitere Unfälle zu verhindern. Als Folge sind 1300 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen nun besser auf den Umgang mit solchen Risiken vorbereitet. «Humanicemos» wurde 2017 von ehemaligen Mitgliedern der FARC-EP-Guerilla gegründet und ist die erste Minenräumorganisation der Welt, die von ehemaligen Kämpfern gegründet und geleitet wird.

Unterstützung für die Opfer von Minenunfällen

Gemäss «Landmine Monitor» wurden im Jahr 2021 über 5540 Personen Opfer von Minen und anderen Kampfmittelrückständen. Häufig sind die am stärksten benachteiligten Gesellschaftsgruppen am meisten betroffen und die Lebensgrundlagen ganzer Familien sind gefährdet. Um den Opfern die uneingeschränkte Ausübung ihrer Rechte und die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten, stellt die Opferhilfe medizinische Versorgung, physische Rehabilitation und sozioökonomische Dienstleistungen bereit.

Im Jemen fördert die Schweiz die Rehabilitation von Opfern

Der Jemen weist eine der grössten Belastungen durch Minen weltweit auf. In den letzten 10 Jahren zählte das Land über 5000 Opfer. Die Schweiz (DEZA) unterstützt die Aktivitäten der gemeinnützigen Organisation für Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit, «Humanity & Inclusion» (HI), im Jemen, unter anderem bei der Rehabilitation von Minenopfern. Zaid Ali Mansour, ein 12-jähriger Junge aus Mokha im Südwesten des Jemen, erlitt einen Unfall, als er mit seinen Freunden spielte. Sein rechtes Bein musste in der Folge teilweise amputiert werden. Mit der Unterstützung von HI lernte Zaid, mit Krücken zu gehen. Jetzt kann er wieder zur Schule gehen.

Ein Arzt behandelt ein Minenunfallopfer.
Im Rehablitationszentrum von «Humanity & Inclusion» behandeln Ärzte Opfer von Minenunfällen. © Humanity & Inclusion

Genfer internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung

Das «Geneva International Centre for Humanitarian Demining» (GICHD) wurde am 28.April 1998 in Genf auf Initiative der Schweiz gegründet. Es setzt sich für die Reduktion der Risiken ein, die durch explosive Kampfmittel verursacht werden, wobei der Schwerpunkt auf Landminen, Streumunition und Munitionslager liegt. Das GICHD leistet einen wichtigen Beitrag zur kontinuierlichen Entwicklung und Umsetzung der internationalen Minenräumstandards. Das Zentrum trägt zur Entwicklung und Professionalisierung des Sektors bei. Das Zentrum unterstützt jedes Jahr rund 40 betroffene Staaten und Gebiete. Die Schweiz finanziert das GICHD über den Rahmenkredit 2020-2023 für drei Genfer Zentren zurzeit mit jährlich gut CHF 9.5 Millionen und trägt damit ungefähr zu 50% zum Budget des Zentrums bei.

GICHD (en)

Die Schweiz fördert die Entwicklung von Kapazitäten vor Ort

Humanitäre Minenräumung ist nur nachhaltig und relevant, wenn die Eigenverantwortung der am meisten betroffenen Menschen gestärkt wird. Die Schweiz unterstützt die Entwicklung nachhaltiger nationaler Kapazitäten nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Sie entsendet Minenräumungsexpertinnen und -experten der Armee und unterstützt so Minenräumprogramme der UNO. Zudem fördert sie Trainingskurse mit Partnern wie dem GICHD und UNO-Organisationen wie UNICEF, UNOPS, UNMAS, UNDP.

Schweizer Minenräumexpertise für den Sudan

Im Sudan berät der Minenräumdienst der UNO (UNMAS) die nationalen Behörden und trägt so zum Kapazitätsaufbau bei. Seit September 2021 unterstützt die Schweizer Armee das Programm mit einem Spezialisten für Informationsmanagement und seit September 2022 arbeitet ein Schweizer Spezialist als sogenannter «Operations Specialist» vor Ort. Im Fokus der Arbeiten stehen die Qualitätssicherung und die Verbesserung von bestehenden Kapazitäten und Prozessen. In enger Zusammenarbeit mit dem nationalen Minenzentrum finden regelmässige Monitoringbesuche auf den Räumstellen statt, um sicherzustellen, dass die Arbeiten den internationalen Minenräumstandards entsprechen. Wo nötig, werden Mängel durch detaillierte Feedbacks oder ad-hoc Trainings vor Ort behoben. Weiter gehört die Planung und Durchführung von Ausbildungskursen zu den Kernaufgaben.

Zwei Personen kartographieren gemeinsam Minen.
Kartierung eines neu entdeckten Minenfelds. © UNMAS Sudan

Humanitäre Minenräumung in der Ukraine

Ein Mann auf einer Wiese schreibt in sein Notizbuch.
Ein ukrainischer Teilnehmer eines «Non-Technical Survey»-Kurses in der Westukraine. © GICHD / FSD

Die militärische Aggression Russlands und der damit zusammenhängende bewaffnete Konflikt in der Ukraine verursachen viele Opfer und eine grosse Belastung durch Minen und andere Kampfmittelrückstände. Die humanitäre Minenräumung ist in der Ukraine Voraussetzung für den humanitären Zugang, die Rückkehr der Vertriebenen, den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur, die soziale und wirtschaftliche Erholung, einschliesslich der Landwirtschaft und die nachhaltige Entwicklung.

Die Schweiz unterstützte die Ukraine 2022 in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen wie dem GICHD und der «Fondation suisse de déminage» (FSD). So hat das VBS über das GICHD seit Juli 2022 Ausbildungskurse finanziert, seit Herbst 2022 auch in der Westukraine. Das EDA (AFM) unterstützte seinerseits die Risikoaufklärung über ein Projekt von FSD und förderte die Koordination im Bereich der humanitären Minenräumung, unter anderem über ein internationales Treffen aller wichtiger Akteure in Genf, organisiert durch das GICHD. In den nächsten Jahren wird das Engagement im Bereich der humanitären Minenräumung zugunsten der Ukraine über verschiedene Aktionslinien ausgebaut.

Ausblick: Anhaltendes Engagement der Schweiz

Mit den Aktivitäten 2022 wird die Umsetzung der Strategie des Bundes 2016–2022 abgeschlossen. Anfang 2022 hat der Bundesrat erstmals eine Strategie Rüstungskontrolle und Abrüstung verabschiedet. Konventionelle Waffen sind darin eines der fünf Aktionsfelder, womit die Minenräumung fest in dieser neuen Strategie verankert ist. Zu den verschiedenen konkreten Massnahmen gehört die Entwicklung eines Aktionsplans für die humanitäre Minenräumung, der die aktuelle Strategie ablösen wird. Die Schweiz wird ihr Engagement fortsetzen und auf diplomatischer Ebene und durch operationelle Tätigkeiten die humanitäre Minenräumung weiter aktiv fördern.

Zum Anfang