«Die Gründung der UNO hat der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg Hoffnung gegeben»

Bundesrat Ignazio Cassis spricht in zwei Interviews mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und der Tribune de Genève (TdG) über die Bedeutung der UNO in den 75 Jahre seit ihrer Gründung, über die Rolle und den Einfluss der Schweiz und darüber, wie die COVID-Krise die internationale Zusammenarbeit verändert hat.

Fotomontage mit Ignazio Cassis, der in die Kamera schaut, und zwei Sprechblas-Icons mit Fragezeichen und Antwort zur Darstellung eines Interviews.

Bundesrat Ignazio Cassis spricht in Interviews mit der NZZ und der Tribune de Genève über die Bedeutung der UNO und die Rolle einer internationalen Schweiz. © EDA

Die UNO-Charta feiert am 26. Juni 2020 ihr 75-jähriges Bestehen. Eine lange Zeit, in der viel geschehen ist. Die UNO von damals ist nicht mit der UNO von heute zu vergleichen. Und doch haben die Vereinten Nationen nach wie vor eine hohe Bedeutung betont Bundesrat Ignazio Cassis im Rahmen zweier Interviews mit der NZZ und der TdG: «Für unsere Weltordnung spielt die UNO eine zentrale Rolle. Je schwächer die UNO ist, desto mehr Angst müssen wir vor möglichen Kriegen haben.»

Aktuelle internationale Spannungen wie beispielsweise zwischen den USA und China zeigen, dass in der Gesellschaft eine Sorge zu spüren sei, ob die Entwicklung von Sicherheit und Frieden der letzten Jahrzehnte anhalten wird. «Als die Vereinten Nationen gegründet wurden, symbolisierten sie die Wiedergeburt von Hoffnung, Freude und Frieden. Die Gründung der UNO hat der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Hoffnung gegeben», betont Ignazio Cassis im Gespräch mit Tribune de Genève.

Wenn man Angst hat, schützen wir zuerst unsere eigenen Kinder. Länder reagieren dabei nicht anderes als Menschen.

Zuerst kommt die Abschottung dann die Zusammenarbeit

Obwohl die Welt von 1945 mit der Welt von 2020 nicht zu vergleichen ist, ist die UNO als multilaterale Organisation heute so wichtig, wie vor 75 Jahren. Gerade die aktuelle COVID-Pandemie unterstreicht, wie relevant ein multilaterales System für die Bewältigung globaler Krisen ist. Auch wenn zu Beginn der Krise noch jedes Land für sich geschaut hat. «Das ist menschlich. Wenn man Angst hat, schützen wir zuerst unsere eigenen Kinder. Länder reagieren dabei nicht anderes als Menschen, die bei Ausbruch der COVID-Krise zuerst Toilettenpapier horteten», erklärt Bundesrat Cassis.

Und doch zeigt sich der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten im Gespräch mit der NZZ zufrieden mit der Zusammenarbeit mit den europäischen Ländern in den letzten Wochen und Monate. «Zu Beginn haben tatsächlich viele Staaten die Tore geschlossen und nur noch an sich gedacht. Diese Phase dauerte etwa zehn Tage. Danach haben die Länder in Europa gemerkt, dass sie aufeinander angewiesen sind, um ihre Bevölkerung schützen zu können. Ab diesem Zeitpunkt war die Zusammenarbeit intensiver als in gewöhnlichen Zeiten.»

Gerade die aktuell schwierige Situation bietet der Schweiz eine gute Gelegenheit, ihre Rolle als Vermittlerin auszuspielen.

Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat

COVID hat einmal mehr gezeigt, wie vernetzt unsere Welt ist, wie wichtig koordinierte Reaktionen sind, wenn man globale Krisen bewältigen will. Aus diesem Grund setz sich die Schweiz seit Jahrzehnten für eine starke UNO ein und kandidiert unter anderem auch für den UNO-Sicherheitsrat 2023/2024. «Gerade die aktuell schwierige Situation bietet der Schweiz eine gute Gelegenheit, ihre Rolle als Vermittlerin auszuspielen. Wir sind neutral, gehören keiner Allianz an und können Brücken bauen mit unseren Guten Diensten», erklärt Ignazio Cassis.

Der nicht ständige Sitzt im UNO-Sicherheitsrat steht für den Bundesrat nicht im Konflikt mit der Neutralitätspolitik der Schweiz – im Gegenteil: «Wir werden nie die Stärksten sein. Unsere Unabhängigkeit können wir am besten wahren, in dem wir uns in Gremien einbringen und so die internationale Gemeinschaft dazu bringen, unsere Unabhängigkeit zu respektieren.»

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