Menschenrechte gilt es auch während Demonstrationen zu wahren
Der UNO-Menschenrechtsrat nimmt auf Initiative der Schweiz eine Resolution über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte im Kontext friedlicher Demonstrationen an. Zudem reicht die Schweiz mit Partnerstaaten eine Resolution zum 15. Jahrestag der Schutzverantwortung ein, um das Bekenntnis von 2005 der Staatengemeinschaft zur Verhinderung der schlimmsten Verbrechen zu erneuern.
Das Hauptmenschenrechtsgremium der UNO verabschiedet eine Resolution, die alle Staaten aufruft, die Menschenrechte im Kontext friedlicher Demonstrationen zu fördern und zu schützen. © Keystone
Demonstrationen für mehr Klimaschutz. Demonstrationen für die Rechte von Frauen. Demonstrationen für oder gegen stärkere Massnahmen im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie. Demonstrationen gegen Rassismus. In der Schweiz ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir unsere Ansichten öffentlich artikulieren dürfen. Die freie Meinungsäusserung und die Versammlungsfreiheit sind als Teil unserer Grundrechte in der Schweizer Bundesverfassung und vor allem in unserem Kollektivverständnis verankert. Selbst während einer Krise wie der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie setzt die Schweiz alles daran, diese Rechte weit möglichst zu gewährleisten. Das ist nicht überall auf der Welt der Fall. In vielen Ländern nimmt der Druck auf die Menschenrechte zu – gerade in Krisenzeiten.
Demonstrationen als Form des kollektiven Ausdrucks
Der vor 14 Jahren gegründete UNO-Menschrechtsrat ist die zentrale internationale Institution für die Förderung, den Schutz und die Umsetzung der Menschenrechte weltweit. Er setzt sich dafür ein, dass Menschenrechtsverletzungen thematisiert und gemeinsame Lösungen zum Schutz der Menschenrechte gefunden werden.
Auf Initiative der Schweiz und Costa Ricas verabschiedete der UNO-Menschenrechtsrat eine Resolution, in der alle Staaten aufgefordert werden, die Menschenrechte im Kontext friedlicher Demonstrationen zu fördern und zu schützen. «Friedliche Demonstrationen sind eine wichtige Form des kollektiven Ausdrucks in allen Regionen der Welt. Die Anliegen, die Menschen weltweit auf der Strasse zum Ausdruck bringen, sind sehr vielfältig. Leider sind die Situationen zahlreich, in denen friedliche Demonstrationen in allen Weltregionen gewaltsam unterdrückt werden», erklärt Barbara Fontana, Leiterin der Sektion für Menschenrechte auf der Mission der Schweiz bei der UNO in Genf.
Menschenrechte gelten sowohl offline als auch online
Die Resolution der beiden Partnerländer Schweiz und Cosa Rica richtet ein Hauptaugenmerk auf die positiven und negativen Auswirkungen moderner Technologien auf die Menschenrechte während friedlichen Demonstrationen. In diesem Zusammenhang bekräftigt die Resolution die Anwendbarkeit des Rechts, sich friedlich online und offline zu versammeln und betont, wie wichtig es ist, dass Demonstrierende nicht durch Internetsperren oder Überwachung im digitalen Raum behindert werden.
«Einerseits erleichtern neue Technologien die Organisation von Demonstrationen, zum Beispiel durch soziale Netzwerke. Einige Demonstrationen können sogar vollständig online abgehalten werden. Andererseits können neue Technologien auch zur Überwachung oder Belästigung der Organisierenden von Demonstrationen eingesetzt werden. Mit dem Aufkommen neuer Technologien muss unbedingt bekräftigt werden, dass die gleichen Rechte sowohl online als auch offline gelten», betont Barbara Fontana.
Gewisse Menschenrechte dürfen unter keinen Umständen eingeschränkt werden
Die Resolution erinnert auch daran, dass Einschränkungen, die in Krisenzeiten, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19, beschlossen werden, unter keinen Umständen als Vorwand für ein Verbot von Protesten oder für eine Unterdrückung der Zivilgesellschaft dienen dürfen. Mit dieser Resolution will die Schweiz die primäre Verantwortung der Staaten für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte im Zusammenhang mit Demonstrationen bekräftigen.
«Solange Einschränkungen, zum Beispiel im Rahmen einer Pandemiebekämpfung, bestimmte Regeln wie Rechtmässigkeit, Verhältnismässigkeit, Notwendigkeit und Nichtdiskriminierung einhalten, können solche Einschränkungen mit dem Völkerrecht vereinbar sein. Es gibt aber darüber hinaus auch Rechte, von denen unter keinen Umständen abgewichen werden darf, wie zum Beispiel das Recht auf Leben oder das Folterverbot», bekräftigt die Chefin des Schweizer Menschenrechtsteams in Genf.
Schutzverantwortung als Gräueltatenprävention
Neben der Resolution zum Schutz der Menschenrechte bei friedlichen Demonstrationen legte die Schweiz in Zusammenarbeit mit Costa Rica, Liechtenstein, Marokko, Peru und Katar eine weitere Resolution vor. Im Zentrum steht der 15. Jahrestag des Weltgipfels 2005, im Rahmen dessen die UNO-Mitgliedsstaaten das Konzept der Schutzverantwortung (Responsability to Protect, R2P) verabschiedet haben. Das R2P-Konzept betont die Verantwortung von Staaten, aber auch der internationalen Gemeinschaft, die schlimmsten Verbrechen, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern.
Der 15. Jahrestag ist Anlass, das Bekenntnis zur Schutzverantwortung zu erneuern und mit einer ersten thematischen Resolution im Menschenrechtsrat dessen Bedeutung bei der Umsetzung dieses wichtigen Konzeptes zu betonen. «Im Rahmen ihres Einsatzes für einen nachhaltigen Frieden, für Stabilität und letztlich für Wohlstand setzt sich die Schweiz schon seit Langem für die Verhinderung der schlimmsten Verbrechen ein. Das Schweizer Engagement zur Schutzverantwortung ist Teil unseres Einsatzes im Bereich der Gräueltatenprävention», erklärt Barbara Fontana.
Freie und unabhängige Medien als zentrale Akteure
Im Hinblick auf die Menschenrechtssituation in bestimmten Ländern setzte sich die Schweiz weiterhin für die systematische Einhaltung der Menschenrechte und, falls anwendbar, des humanitären Völkerrechts durch alle Parteien ein. In diesem Sinne nahm sie an den interaktiven Dialogen und Verhandlungen über Resolutionen zur Menschenrechtssituation in Belarus, Eritrea und Syrien teil. Sie verteidigte auch die Achtung der Menschenrechte während der Dialoge zu Burundi, Myanmar, den Philippinen und Venezuela. Des Weiteren unterstützte die Schweiz eine von Grossbritannien initiierte und von insgesamt 28 Staaten mitgetragene Erklärung, in der diese Staaten ihre tiefe Besorgnis über die Menschenrechtssituation in China (Xinjiang und Hongkong) zum Ausdruck brachten.
Schliesslich rief die Schweiz im Rahmen des jährlichen interaktiven Dialogs mit der Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, alle Staaten auf, das Recht auf freie Meinungsäusserung und den Zugang zu Informationen, insbesondere auch im Zusammenhang mit COVID-19, zu respektieren. Sie erinnerte an die zentrale Rolle unabhängiger Medien bei der Bereitstellung von Sachinformationen und der Bekämpfung von Fehlinformationen.
Rassistisch motivierte Gewalt
Im Vorfeld dieser 44. Session konnte der Menschenrechtsrat vom 15. bis 23. Juni die Arbeiten seiner 43. Session, die am 13. März wegen der COVID-19-Pandemie suspendiert werden musste, abschliessen. Diese Ratswoche war durch die Abhaltung einer Dringlichkeitsdebatte über rassistisch motivierte Menschenrechtsverletzungen, systemischen Rassismus und Polizeigewalt gekennzeichnet. Am Ende der Dringlichkeitsdebatte verabschiedeten die 47 Mitgliedstaaten des UNO-Menschenrechtsrates im Konsens eine Resolution zu diesem Thema. Die Schweiz bekräftigte anlässlich dieser Debatte die Notwendigkeit, die Menschenrechte aller ohne jegliche Diskriminierung zu achten und zu schützen.