Artikel, 14.05.2014

Vor 10 Jahren hat die DEZA in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaator ein Kooperationsbüro eröffnet. Diepak Elmer, stellvertretender Direktor des DEZA-Kooperationsbüros in der Mongolei, erklärt die Schwerpunkte des Schweizer Engagements und die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die sich dabei stellen.

Auf welche Themenbereiche fokussiert die Schweiz ihre Entwicklungszusammenarbeit mit der Mongolei?
Es gibt drei Schwerpunkte: Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, Berufsbildung und Dezentralisierung. Hinzu kommt der Kleinbergbau, der in der Mongolei immer wichtiger wird und dem die DEZA in Zukunft mehr Gewicht geben will.

In der Landwirtschaft ist die Ernährungssicherheit ein vorrangiges Thema. Die Mongolei ist bei Grundnahrungsmitteln nicht selbstversorgend, trotz einer Fläche, die so gross ist wie halb Westeuropa, rund 50 Mio. Nutztieren und einer Bevölkerung von nur knapp 2,9 Mio. Menschen. Das hängt unter anderem mit dem Klima zusammen. Von November bis April ist der Boden gefroren. Die Gemüseproduktion ist also nur während etwa eines halben Jahres möglich. Die Bevölkerung muss in dieser Zeit mehr Gemüse produzieren, um für den Winter gewappnet zu sein, oder dieses aus Nachbarstaaten importieren. In diesem Bereich hat die DEZA der Mongolei geholfen, den Kartoffelsektor wieder aufzubauen. Es wurden neue Kartoffelsorten und neues Saatgut eingeführt. Was Kartoffeln angeht, ist die Mongolei nun praktisch selbstversorgend.

Im Winter sind die Mongolen stark auf das Fleisch ihrer Nutztiere angewiesen. Es kommt jedoch regelmässig zu trockenen Sommern, gefolgt von extrem kalten Wintern mit starkem Schneefall und Temperaturen unter minus 40 Grad, sogenannten Dzuds. Dann findet das Vieh nicht mehr genügend Gras unter der Schneedecke, so dass es massenweise stirbt. Für Hirten wird die Lage schnell prekär. Seit dem Beginn des Kooperationsprogramms in der Mongolei hat sich die DEZA deshalb auf die Herausforderungen in der Viehzucht und dem Weidemanagement konzentriert. Das Land ist nun besser auf solch extreme Situationen vorbereitet.

Ein neuer Fokus der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in der Mongolei ist die Berufsbildung. Im Land gibt es sehr viele junge Menschen – ein Antrieb für die Wirtschaft. Die Jungen finden trotz des Wirtschaftswachstums – 2013 waren es knapp 12% – keine Anstellung. Laut informellen Schätzungen sind es rund 20% der Universitäts- oder Lehrabgänger. Handwerkliche Berufe wie Maurer, Spengler, Metallverarbeiter und Schweisser sind in der Mongolei sehr gefragt. Die Ausbildung in diesen Berufen genügt jedoch den Ansprüchen der modernen Wirtschaft nicht. Hier engagiert sich die Schweiz. Sie stärkt das Berufsbildungssystem und konzentriert sich auf die handwerklichen Berufe.

Was gibt es zum dritten Schwerpunkt, der Dezentralisierung, zu sagen?
Die Dezentralisierung wird vom mongolischen Präsidenten Tsakhiagiin Elbegdorj
stark vorangetrieben. Die Theorie besagt, dass die Verwendung der öffentlichen Ressourcen am effizientesten auf lokaler Ebene entschieden wird. Mit einem Beispiel veranschaulicht heisst das, dass ein Beamter in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaator nicht so gut wie die Lokalbevölkerung wissen kann, was eine tausend Kilometer entfernte Schule oder ein Spital benötigen. Das ist die Idee der Dezentralisierung: das Geld und die Entscheidungen darüber werden von der Regierung auf die lokale Ebene gebracht.

Die DEZA hat ein neues Programm aufgegleist, das die Mongolei bei den ersten Schritten der Dezentralisierung unterstützt. Das Land hat 2013 eine erste Reform durchgeführt und ein neues Budgetgesetz eingeführt. Zum ersten Mal wird ein Teil des Investitionsbudgets auf die lokale Ebene verschoben, in «Local Development Funds». Auf lokaler Ebene wird dann mit Bürgerbeteiligung entschieden, in welche Projekte diese Fonds investiert werden. Die Schweiz unterstützt die Mongolei bei der Umsetzung des neuen Gesetzes und berät sie z.B. dabei, wie die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger eingeholt werden können.

Die DEZA engagiert sich auch im Kleinbergbau. Der Kleinbergbau bietet der ländlichen und ärmeren Bevölkerung Arbeitsplätze und Verdienstmöglichkeiten. Dieser Sektor hat sich in den 1990er-Jahren entwickelt. Schätzungsweise bis zu 100’000 mongolische Familien verdienen sich saisonal ihr Einkommen im Kleinbergbau. Oft fehlen Regelungen und Richtlinien – die Menschen greifen zu Schaufel und Pickel und beginnen zu graben, teilweise unter gefährlichen Bedingungen. Bis 2010 war der Kleinbergbau verboten und wurde erst dann legalisiert. Seit 2005 unterstützt die DEZA die Mongolei in der Formalisierung eines umwelt- und sozialgerechten Kleinbergbaus.

Welche politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der Mongolei beeinflussen die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit?
Eine grosse Herausforderung ist der Umgang mit dem neuen Reichtum des Landes. In den letzten Jahren hatte die Mongolei ein Wirtschaftswachstum im zweistelligen Bereich. Dafür verantwortlich sind hauptsächlich Investitionen im Bergbausektor und Rohstoffexporte ins Ausland. Die Mongolei ist reich an den Rohstoffen Gold, Kohle und Kupfer. Es kommt viel mehr Geld ins Land als früher. Die Frage ist, wie die Regierung und die Bevölkerung damit umgehen.

Der Reichtum an Rohstoffen bietet dem Land einmalige Entwicklungschancen, stellt sie aber auch vor grosse Herausforderungen. Das Land muss einen Weg finden, die Einnahmen aus dem Rohstoffsektor in eine nachhaltige und gerechte Entwicklung des Landes zu investieren. Wenn ihr das gelingt, dann wird sie innerhalb einer Generation zu den reicheren Ländern der Welt gehören. Ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen in der Mongolei ist notwendig für Fortschritte in allen anderen Bereichen. Das ist die übergeordnete Herausforderung, auch für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit.

Die DEZA unterhält seit 2004 ein Kooperationsbüro in der Mongolei. Unter welchen Umständen und weshalb hat die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit vor zehn Jahren begonnen, sich in der Mongolei zu engagieren?
Von 2001–2004 leistete die DEZA humanitäre Hilfe in der Mongolei. Sie folgte damals einem Appell der UNO. Die Mongolei hat in den Jahren 1999–2001 dreimal hintereinander einen Dzud erlebt. Über 160’000 Familien haben die Hälfte ihrer Nutztiere verloren, die Wirtschaft war schwach. Viele Menschen zogen in die Hauptstadt Ulaanbaator, gleichzeitig stieg die Armut. Rund zwei Drittel der Bevölkerung lebten um die Jahrtausendwende unter der Armutsgrenze. Die humanitären Hilfsprogramme konzentrierten sich auf die Lebensgrundlage der Hirtenfamilien.

 

Schweizer Engagement bis 2020
Seit 2013 ist die Mongolei ein Schwerpunktland der DEZA. Sie plant, sich bis 2020 zu engagieren und strebt eine nachhaltige und sozial gerechte Entwicklung des Landes an. Die Schweiz geht davon aus, dass die Mongolei nach 2020 die klassische Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr beanspruchen wird. Es wird damit gerechnet, dass sich das Land dann für die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Technik interessieren wird.

Diepak Elmer ist seit 2012 stellvertretender Direktor des DEZA-Kooperationsbüros in Ulaanbaator in der Mongolei.

DEZA-Projekte, die Diepak Elmer im Interview erwähnt hat:

Weiterführende Informationen und Dokumente

Letzte Aktualisierung 13.01.2023

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