Schweizer Einsatz für Kindersoldaten

Bundespräsident Didier Burkhalter hat an der Jahreskonferenz der Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS) des EDA am 14. Oktober 2014 den Schweizer Aktionsplan zum Schutz von Kindern, die in bewaffneten Konflikten Streitkräften oder bewaffneten Gruppen angeschlossen sind, vorgestellt. Internationale Expertinnen und Experten diskutierten die neuesten Erkenntnisse und Strategien zum Thema Kindersoldaten.

Die Schweiz will sich stärker für Kindersoldaten einsetzen. Bundespräsident Didier Burkhalter hat an der Jahreskonferenz der Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS) des EDA den Aktionsplan zum Schutz von Kindern, die in bewaffneten Konflikten Streitkräften oder bewaffneten Gruppen angeschlossen sind, vorgestellt.

Aktionsplan zum Schutz von Kindern, die in bewaffneten Konflikten Streitkräften oder bewaffneten Gruppen angeschlossen sind (PDF, 28 Seiten, 1.6 MB, Deutsch)

Fatou Bensouda, Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court, ICC), Juvénal Munubo Mubi, Nationaler Abgeordneter in der Demokratischen Republik Kongo (DKR), und Ratna Jhaveri, Kinderschutz-Expertin des United Nations Children’s Fund (UNICEF), diskutierten über Massnahmen zum Schutz von Kindern vor einer Rekrutierung als Kämpferinnen und Kämpfer sowie über die Reintegration von ehemaligen Kindersoldaten in die Gesellschaft.

Römer Statut

Die Ahndung von Verbrechen gegen Kinder habe in den Bestimmungen des Römer Statuts rechtlichen Rückhalt erfahren, erklärte Fatou Bensouda. «Alle Kernverbrechen des Römer Statuts sehen Strafen für Verbrechen gegen Kinder vor.» Zu den Kernverbrechen gehören:

  • Völkermord (Art. 6)
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7)
  • Kriegsverbrechen (Art. 8)
  • Verbrechen der Aggression (Art. 8 bis)

Fatou Bensouda nannte als Beispiel Art. 8 des Römer Statuts, der die Zwangsverpflichtung oder Eingliederung von Kindern unter fünfzehn Jahren in die nationalen Streitkräfte oder ihre Verpflichtung zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten als Kriegsverbrechen definiert.  

Das Römer Statut ist die rechtliche Grundlage des ICC und wurde 1998 an der diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der UNO in Rom ausgehandelt.

Bundesrecht: Römer Statut

Erstes Urteil des ICC wegen Einsatz von Kindersoldaten

Das erste Urteil seit seiner Gründung 2002 verhängte der ICC 2012 über den kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga Dyilo. Er wurde wegen Anwerbung und Rekrutierung von unter 15-jährigen Kindern und deren Einsatz als Soldaten in bewaffneten Konflikten verurteilt. Fatou Bensouda bezeichnete das Urteil als «Grundsatzentscheidung».

Fatou Bensouda betonte, dass der ICC seinen Fokus von den Kindersoldaten generell auf Kinder in bewaffneten Konflikten erweitert habe. Dies widerspiegle sich in der Art, wie gegen Bosco Ntaganda, den mutmasslichen ehemaligen stellvertretenden Stabschef der Gruppe «Force patriotique pour la libération du Congo» Anklage erhoben wurde.

Am 9. Juni 2014 hat die Vorverfahrenskammer II des ICC einstimmig alle Anklagepunkte gegen Bosco Ntaganda bestätigt. Zu diesen gehören laut Fatou Bensouda nicht nur die Einberufung von Kindern unter 15 Jahren und deren Einsatz in bewaffneten Konflikten, sondern auch Anklagepunkte wegen sexueller Sklaverei und sexueller Gewalt gegen Kinder, die zu Ntagandas Armee gehörten.

Komplementarität und Prävention

Der weltweite Kampf gegen Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Kinder erachtet Fatou Bensouda als fundamental: «Dazu ist es notwendig, die zahlreichen involvierten Akteure auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene zu identifizieren, um die Bemühungen zu koordinieren und die Wirkung zu maximieren.»

Komplementarität und Prävention sind die Kernelemente eines neuen Strategiepapiers, an dem ihr Team arbeitet. Der Einsatz für Kindersoldaten sowie für Kinder, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind, ist eines von Fatou Bensoudas strategischen Zielen für den Zeitraum von 2012–2015.

Die Behörden der 122 Vertragsstaaten des Römer Statuts hätten die Hauptverantwortung für die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von Tätern, die Massenverbrechen begangen haben, inklusive Verbrechen an Kindern, sagte sie. Sei ein Staat unfähig oder nicht gewillt, dies zu tun, bevollmächtige das Römer Statut den Internationalen Strafgerichtshof, einzuschreiten.

DRK: Prävention, Durchgangszentren und Wiedereingliederung

Juvénal Munubo Mubi, Nationaler Abgeordneter in der Demokratischen Republik Kongo (DKR), stellte die Programme in der DKR für Kindersoldaten vor. Diese stützen sich hauptsächlich auf die Bereiche Prävention, Demobilisierung und Wiedereingliederung.

Bei der Prävention wird auf Sensibilisierung gesetzt. Armeen und Kommandanten von Rebellengruppen werden für die Rechte der Kinder sensibilisiert.  «In zwei oder drei Fällen haben Kommandanten von Rebellengruppen Kinder freigelassen», führte Juvénal Munubo Mubi aus.

Zudem wurden Durchgangs- und Orientierungszentren (Centre de transit et d’orientation, CTO) geschaffen. «Damit versuchen wir, den Kindern familienähnliche Strukturen zu geben», erklärte er. Die Kinder bleiben während zweier bis dreier Monate im Zentrum. In dieser Zeit suchen die Mitarbeitenden des Zentrums nach Familienangehörigen der Kinder.

Die DRK hat 2004 ein nationales Programm für Demobilisierung und Re-Integration von bewaffneten Streitkräften (National Program for Demobilization and Reintegration, PNDDR) lanciert. Dieses wird von der Weltbank und anderen Partnern finanziert.

Weltbank: National Program for Demobilization and Reintegration (en)

Kindersoldatinnen im Fokus

Juvénal Munubo Mubi machte ebenfalls auf das Schicksal von Mädchen in bewaffneten Gruppen aufmerksam. Sie würden als sexuelle Sklavinnen missbraucht und müssten z.B. das Essen für die Kommandanten zubereiten, erklärte er.

Während es den Knaben manchmal gelänge zu fliehen und in einem Übergangszentrum Unterschlupf zu finden, sei dies bei den Mädchen seltener. «Sie sind Gefangene der bewaffneten Gruppen», erklärte er. Rund 10% der Kindersoldaten seien Mädchen, davon gelängen lediglich 2% die Flucht.

Kindersoldaten in der DRK: Seit 1996 im öffentlichen Bewusstsein

Der kongolesische Parlamentsabgeordnete erklärte, dass das Phänomen der Kindersoldaten in der DRK ab 1996 öffentlich sichtbar wurde, als Laurent Kabila an der Spitze der «Alliance des Forces Démocratiques pour la Libération du Congo» gegen das Regime von Mobutu Sese Seko kämpfte. «Kindersoldaten traten öffentlich in Erscheinung», so Juvénal Munubo Mubi. Die Rekrutierung von Kindersoldaten habe auch im zweiten Krieg im Kongo 1998 stattgefunden.

«Children not soldiers»

Ratna Jhaveri, Kinderschutz-Expertin von UNICEF, erläuterte die Zusammenarbeit der UNICEF mit anderen UNO-Partnern, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft für Kinder in bewaffneten Konflikten. Die Arbeit basiere auf dem Überprüfungs- und Reporting-Mechanismus der UNO (Monitoring and Reporting Mechanism on Children and Armed Conflict, MRM), der 2005 mit der UNO-Resolution 1612 etabliert worden sei.

UNO-Resolution 1612 (en)

Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen verfasst der UNO-Generalsekretär jährlich einen Bericht über Kinder in bewaffneten Konflikten und nennt jene Gruppen, die Kinder unter 18 Jahren als bewaffnete Streitkräfte rekrutieren. Um von dieser Liste entfernt zu werden, müssen sich die genannten Parteien zu einem gemeinsamen Aktionsplan mit der UNO verpflichten.  

Jährlicher Bericht des UNO-Generalsekretärs zu Kindern in bewaffneten Konflikten (2013, en)

Ratna Jhaveri betonte die Wichtigkeit solcher Berichte für die Suche nach den für die Rekrutierung von Kindersoldaten Verantwortlichen und das Sammeln von Beweisen. Gleichzeitig hob sie hervor, dass der Zugang zu den aktuellen Krisenherden wie Südsudan, Afghanistan, Syrien oder Nigeria zu mit grossen Herausforderungen verbunden sei.

Die UNICEF-Expertin stellte zudem die Kampagne «Children not soldiers» vor. Diese wurde im März 2014 lanciert und hat zum Ziel, die Rekrutierung von Kindersoldaten unter 18 Jahren bis 2016 zu stoppen. 

«Children not soldiers» (en)

 


Letzte Aktualisierung 26.01.2022

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