Langfristiges Engagement für Flüchtlinge und Vertriebene

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch und arbeiten an Nähmaschinen in Kenia.
«Skills for Life» vermittelt Flüchtlingen und Einwohnerinnen und Einwohnern im kenianischen Kakuma Berufskenntnisse, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. © Fabian Urech /DEZA

Weltweit waren 2016 über 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele von ihnen sind bereits seit Jahren unterwegs oder harren in Flüchtlingslagern aus. Die Schweiz setzt im Nahen Osten und am Horn von Afrika auf ein Engagement, das Nothilfe vor Ort mit der Schaffung von Langzeitperspektiven verbindet.

«Eltern setzen ihr Kind nur dann in ein Boot, wenn es auf dem Meer sicherer ist als auf dem Land.». Dieses Zitat der jungen somalischen Dichterin Warsan Shire zeugt vom Schicksal der über 65 Millionen Menschen, die aufgrund von Kriegen, Konflikten und Katastrophen auf der Flucht sind. Rund zwei Drittel dieser Vertriebenen lebt nach wie vor im eigenen Land. Sie verfügen weder über die finanziellen Mittel noch die Handlungsfreiheit, um eine lange Flucht antreten zu können. Stattdessen sind sie damit beschäftigt, ihr tägliches Überleben zu sichern. 

Von den 21 Millionen registrierten Flüchtlingen, welche die Landesgrenze überquert haben, stammen mehr als die Hälfte aus drei Ländern: Syrien, Afghanistan und Somalia. Syrien führt die traurige Statistik an. Die humanitäre Katastrophe in und um Syrien stand 2016 deshalb auch im Fokus des humanitären Engagements der Schweiz. Mit über 250 Millionen Franken seit 2011 handelt es sich um die umfangreichste humanitäre Aktion der DEZA.

Das Engagement der Schweiz für die Opfer der Syrien-Krise, Dossier

Schweiz liefert Ambulanzfahrzeuge an Syriens notleidende Bevölkerung, DEZA-Projekt

Auch wenn der bewaffnete Konflikt in Syrien und die damit verbundene Flüchtlingskrise die Schlagzeilen dominieren, ist das Horn von Afrika seit vielen Jahren ein Epizentrum grosser Fluchtbewegungen. Insgesamt 1,8 Millionen Flüchtlinge und 6,7 Millionen intern Vertriebene befinden sich in den Ländern Somalia, Kenia, Eritrea, Dschibouti, Sudan und Südsudan. Allein aus Somalia sind 1,1 Millionen Menschen geflohen. Die politische und geografische Fragmentierung, andauernde Gewaltkonflikte und die Bedrohung durch die islamistische Al-Shabaab-Miliz machen Somalia zu einem der fragilsten Länder der Welt. 

Das weltweit grösste Flüchtlingslager wird von Somalierinnen und Somaliern bewohnt und befindet sich im Norden Kenias. Mit rund 340'000 Menschen ist Dadaab in den letzten 25 Jahren zu einer veritablen Stadt der Grösse Zürichs und zur drittgrössten Stadt Kenias geworden. Eine ganze Generation ist in Dadaab geboren und aufgewachsen. Nun steht das Flüchtlingslager kurz vor der Schliessung. Die kenianische Regierung sieht sich aufgrund Terrorgefahr, mangelnder Sicherheit und Umweltzerstörung zu diesem Schritt gezwungen.

Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit am Horn von Afrika

Das Beispiel Dadaab zeigt, dass Nothilfe für Flüchtlinge und Vertriebene allein keine langfristige Lösung darstellt. Zusätzlich zur humanitären Hilfe braucht es ein Entwicklungsengagement zur Minderung von Fluchtursachen und zur Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen in den Erstaufnahmeländern. Die DEZA übernimmt am Horn von Afrika eine innovative Führungsfunktion. Seit dem Sommer 2016 leitet sie gemeinsam mit Dänemark die Informal Humanitarian Donor Group Somalia und setzt sich für eine nachhaltige Lösung für langzeitvertriebene Personen ein. Zwei Schweizer Experten im Büro des UNO-Koordinators für Somalia setzen sich aktiv für den integrierten Ansatz ein.

Horn von Afrika (Somalia, Äthiopien, Kenia, Eritrea, Dschibutii)

Wo andere internationale Akteure wegschauen wird die DEZA aktiv. So setzt sich die DEZA in Somalia für den Aufbau einer landesweiten Gesundheitsgrundversorgung ein. Gleichzeitig bringt sie traditionell humanitäre Akteure an den Tisch mit Entwicklungsorganisationen und erkundet gemeinsam mit der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung neue Wege, wie das landesweit seit 25 Jahren rein humanitär finanzierte Gesundheitssystem in die nationalen Gesundheitspläne Somalias integriert werden kann.

Horn von Afrika: Zwei humanitäre Helfer der DEZA erzählen von ihrer Arbeit, Artikel

Zur Stärkung der lokalen Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen investiert die DEZA zudem in Grund- und Berufsbildung. Mit seinen 180'000 Menschen gehört Kakuma im Norden Kenias ebenfalls zu den grössten Flüchtlingslagern der Welt. Rund die Hälfte der Flüchtlinge stammt aus dem Südsudan. «Wir sind nicht gerne hier. Aber für uns gibt es keinen anderen Platz auf dieser Welt.» Das sind die Worte einer Bewohnerin Kakumas, die für sich und ihre Familie wenig Hoffnung für die Zukunft sieht. Um diesem Trend entgegenzuwirken und den Menschen, insbesondere jungen Frauen und Männern, wieder Perspektiven zu geben, lancierte die DEZA im Jahr 2013 das «Skills for Life» Projekt.

Kakuma: Erwerb von beruflichen Kompetenzen in einem Flüchtlingslager, DEZA-Projekt

Prävention von Fluchtursachen ist Teil des Schweizer Engagements

Neben Gewaltkonflikten sind Dürren und Hungersnöte weitere Fluchtursachen am Horn von Afrika. Diese werden oft durch die zyklisch wiederkehrenden Klimaphänomene El Niño und La Niña verstärkt. So wurde Äthiopien 2016 als Folge des El Niño von einer der schwersten Dürren seit fast 50 Jahren heimgesucht. Nachdem zwei aufeinanderfolgende Regenzeiten ausfielen, waren weit über zehn Millionen Menschen von Lebensmittelhilfe abhängig.

Gemeinsam mit der äthiopischen Regierung investiert die DEZA im Süden in die Rehabilitierung von Wasserstellen, die Stärkung von lokalen Frühwarnsystemen, die Weiterbildung von Frauen sowie in Massnahmen gegen die Schädigung des Weidelands. «Es geht darum, den Menschen nicht nur in Krisenzeiten zu helfen, sondern sie soweit zu unterstützen, dass sie auch gegen Rückschläge gewappnet sind», erklärt DEZA-Mitarbeiter Ababu Lemma Belay vor Ort. Um Entwicklungsgewinne auch in Krisenjahren weiter zu sichern, hat die DEZA zum ersten Mal einen Notfallfonds in ein langfristiges Resilienzprogramm integriert. Umgesetzt durch eine Schweizer NGO und die lokale Regierung verbessert das Projekt das Management der natürlichen Wasser- und Landressourcen und sichert langfristig Einkommen und Perspektiven.

Wasserversorgung im Südsudan (Wieder-) Aufbau in Zeiten der Transition, DEZA- Projekt