Was ist der Paketansatz, und woraus besteht er? Was sind die offensiven und defensiven Interessen der Schweiz? Warum sind die institutionellen Elemente so wichtig? Der Paketansatz ist komplex, aber seine breite Anordnung fördert den Interessenausgleich.
FAQ Paketansatz
Paketansatz
Die Schweiz gehört zu den wirtschaftlich erfolgreichsten und innovativsten Ländern weltweit. Ein Grund dafür sind ihre guten und geregelten Beziehungen mit der EU auf Basis der bilateralen Verträge: Jeden dritten Franken verdient sie heute im Austausch mit der EU. Diese Beziehungen sind indes instabil geworden, und die internationale Lage wird zunehmend unsicher. Der Bundesrat will aber Wohlstand, Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft erhalten
Die neuen Verhandlungen sollen deshalb die Beziehungen der Schweiz zur EU langfristig stabilisieren und weiterentwickeln. Konkret will der Bundesrat den hindernisfreien sektoriellen Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten und wo gewollt (bspw. beim Strom) auch ausbauen. Zudem will er das Spitzenniveau der Schweizer Forschung absichern und damit die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft stärken.
Das Paket ist ein Bündel aus mehreren thematischen Elementen, darunter neue Abkommen und institutionelle Lösungen, das der Bundesrat und die Europäische Kommission als integralen Verhandlungsgegenstand erarbeitet haben. Es enthält Themen, die den Bedürfnissen der Schweiz entsprechen, sowie Anliegen der Europäischen Kommission. Die Ausgewogenheit fördert die Suche nach Kompromissen und Lösungen.
Das Paket fokussiert nicht auf ein einzelnes Abkommen mit relativ abstrakten Inhalten. Es besteht aus mehreren konkreten Elementen, die eine ausgewogene Einheit bilden. Die institutionellen Lösungen sind nur eins der Elemente. Sie bilden zudem nicht einen Rahmen um alle Binnenmarktabkommen (horizontaler Ansatz). Vielmehr sind sie in jedem einzelnen Binnenmarktabkommen separat geregelt.
Das Paket ist ausgewogen und a) gewährleistet einen breiten Interessenausgleich, b) verbessert die Erfolgsaussichten von Verhandlungen.
- Stolpersteine und Risiken des InstA konnten ausgeräumt werden, insb. bei UBRL, Lohnschutz und staatlichen Beihilfen.
- Das Paket bezieht sich nicht nur auf institutionelle Lösungen. Es enthält auch weitere Elemente, an denen die Schweiz interessiert ist. Dadurch: breiter Interessenausgleich und bessere Erfolgsaussichten in den Verhandlungen.
- Die institutionellen Elemente werden sektoriell verankert (nicht horizontal über alle Binnenmarktabkommen hinweg). So kann besser/spezifischer auf die Eigenheiten der einzelnen Binnenmarktabkommen eingegangen werden.
- Die Zuständigkeit des Bundesgerichts und anderer schweizerischer Gerichte ist ausdrücklich gewährleistet.
- Bei Streitigkeiten über Ausnahmen, die keine Begriffe des EU-Rechts implizieren entscheidet das Schiedsgericht eigenständig. Dem EuGH kommt keine Rolle zu. In jedem Fall entscheidet das Schiedsgericht abschliessend über eine Streitigkeit.
- Die Suspendierung eines Abkommens im Fall eines ungelösten Streits wird nicht explizit als mögliche Ausgleichsmassnahme erwähnt.
- Es gibt keine «Super-Guillotine», wie mit dem InstA.
Es bestehen verschiedene Verbesserungen im Vergleich zum InstA-Entwurf:
- Strom: Binnenmarktabkommen
- Lebensmittelsicherheit: Binnenmarktabkommen [Erweiterung des bestehenden Landwirtschaftsabkommens]
- Öffentliche Gesundheit: Kooperationsabkommen
- Künftige systematischere Beteiligung der Schweiz an EU-Programmen in den Bereichen Forschung, Innovation, Bildung, Jugend, Sport und Kultur (insbesondere Assoziierung an Horizon Europe und Erasmus+).
- Die Schweiz hat mit dem Verhandlungsstart wieder teilweise Zugang erhalten zum laufenden EU-Programm für Forschung und Innovation Horizon Europe.
- die dynamische Rechtsübernahme
- die einheitliche Anwendung und Auslegung der Abkommen
- die Überwachung der Umsetzung
- die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien
- Ausgewogener und sektoraler Ansatz mit Übernahme von EU-Vorschriften, die auf bestimmte Binnenmarktabkommen beschränkt ist.
- Vorschriften über staatliche Beihilfen sollen im Luftverkehrs- und Landverkehrsabkommen sowie im künftigen Binnenmarktabkommen wie Strom aufgenommen werden.
- Die Überwachung der Beihilferegeln erfolgt selbstständig durch die Schweiz und im Einklang mit der Bundesverfassung.
- Kritische Bereiche wie der Service Public oder der öffentliche Verkehr innerhalb der Schweiz sind nicht betroffen.
- Die Schweiz ist bereit, künftig einen regelmässigen Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten zu leisten. Stabilität und Zusammenhalt sind wichtige Voraussetzungen für das gute Funktionieren eines Binnenmarktes, und die Schweiz hat ein Interesse, dass dieser gut funktioniert.
- Neu soll ein rechtsverbindlicher Mechanismus für einen regelmässigen Schweizer Beitrag ausgehandelt werden.
- In den Verhandlungen soll auch der nächste Schweizer Beitrag vereinbart werden.
Neue Abkommen
Beteiligung an EU-Programmen
Institutionelle Elemente
Die institutionellen Elemente ermöglichen die Aktualisierung und effiziente Anwendung der bilateralen Binnenmarktabkommen. Sie zielen darauf ab, Rechtshomogenität und -sicherheit im Binnenmarkt zu gewährleisten. Sie umfassen:
Wesentliche Interessen der Schweiz sollen durch Ausnahmen und andere Instrumente geschützt werden, insbesondere im Bereich Personenfreizügigkeit. Zudem werden verfassungsrechtliche Verfahren der Schweiz (z.B. Referendum) und ihre Verfassungsordnung respektiert (Stichwort: Föderalismus, Gewaltenteilung).
Staatliche Beihilfen
Schweizer Beitrag
Politischer Dialog
Vereinbarung eines hochrangigen Politischen Dialogs als Steuerungsinstrument des Bilateralen Wegs. Er soll
a) alle Bereiche des Pakets abdecken und
b) eine regelmässige politische Gesamtschau der bilateralen Beziehungen ermöglichen.
Von Liberalisierungsprogrammen kann keine Rede sein. Die Schweiz beteiligt sich an Teilen des EU-Binnenmarkts, wo es in ihrem Interesse ist. Dabei stellt sie ihre wesentlichen Interessen (z. B. in Bezug auf die Einwanderung, den Lohnschutz und den Service public) sicher.
Resultat der Sondierungsgespräche /common understanding
Ein diplomatisch-technisches Dokument der Delegationsleitenden, das die Ergebnisse des Sondierungsprozesses festhält. Es hält die möglichen Landezonen in allen Bereichen des Pakets fest. Dieses Dokument ist als solches nicht rechtsverbindlich. Ziel dieses Dokuments ist die Schaffung einer Verhandlungsgrundlage, indem das Risiko eines Scheiterns verringert wird.
- Es liegt ein breites Paket inklusive Abschluss neuer Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit und einer Beteiligung an EU-Programmen zwecks Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Weges vor.
- Die institutionellen Elemente (namentlich dynamische Rechtsübernahme, Streitbeilegung) sollen im Rahmen des sektoriellen Ansatzes in den einzelnen Binnenmarktabkommen festgelegt werden.
- Die dynamische Rechtsübernahme soll die verfassungsrechtlichen Verfahren der Schweiz und das Funktionieren ihrer Institutionen respektieren und mit einem Mitwirkungsmechanismus (decision shaping) kombiniert werden.
- Bestehende und neu ausgehandelte Ausnahmen wären vor Weiterentwicklungen in der EU geschützt (keine Übernahmeverpflichtung).
- Bei der Personenfreizügigkeit: (i) Beschränkung der Folgen für das Sozialsystem, (ii) Schutz der Arbeitskräfte vor Unterminierung von Lohn- und Arbeitsbedingungen und der hier ansässigen Unternehmen vor Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen und (iii) kein Konflikt mit der Bundesverfassung.
- In der Streitbeilegung wird weiterhin der Gemischte Ausschuss als Hauptinstanz fungieren. Bei fehlender Einigung im Gemischten Ausschuss sollen die Parteien die Streitigkeit einem paritätisch zusammengesetzten Schiedsgericht unterbreiten können, welches die Entscheide fällt. Der EuGH würde von diesem Schiedsgericht nur beigezogen werden, sofern es um die Auslegung von EU-Rechtsbegriffen geht und falls dies für die Lösung des Streits notwendig und relevant ist. Die Auslegung des EuGH ist bindend, wenn es sich lediglich um EU-Recht handelt. Das Schiedsgericht wird in jedem Fall abschliessend über den Streit entscheiden. Die Kompetenzen des Bundesgerichts und der kantonalen Gerichte bleiben gewahrt.
- Die Überwachung, insbesondere auch der staatlichen Beihilfen, wird durch ein Zwei-Säulen-Modell, das heisst auf Schweizer Seite durch die Schweizer Behörden, gewährleistet.
Es ist gelungen, Lösungen aufzuzeigen, wie die «Stolpersteine» des institutionellen Abkommens (insbesondere betr. Zuwanderung und staatliche Beihilfen) ausgeräumt werden könnten. Die Chancen auf erfolgreiche Verhandlungen sind dadurch erhöht.
Die Zielsetzung des Bundesrats konnte wie folgt erreicht werden:
- Die Bereinigung ermöglicht den Einstieg in Verhandlungen, denn das CU zeigt auf, wie mögliche, für beide Seiten annehmbare Lösungen aussehen könnten. Damit vermittelt das CU beiden Parteien eine gewisse Zuversicht bezüglich eines erfolgreichen Abschlusses, und umgekehrt reduziert es das Risiko eines Scheiterns künftiger Verhandlungen.
- Für den Bundesrat war es entscheidend, Landezonen in wichtigen Bereichen möglichst konkret zu formulieren. Dadurch Beurteilung, ob der Schritt in neue Verhandlungen mit der EU aussichtsreich und vorteilhaft ist.
- Das CU ist kein rechtlich verbindliches Dokument. Dieser nicht rechtsverbindliche Charakter spiegelt sich insbesondere in der verwendeten Sprache wider (z.B. durch die Verwendung der Konditionalform «should» anstelle des bei verbindlichen internationalen Abkommen üblichen «shall» oder «will»).
- Das CU hält die möglichen Landezonen für die verschiedenen Bereiche des Paketes fest. Es bildet das Resultat der Sondierungsgespräche, nicht der Verhandlungen. Diese müssen noch geführt werden.
- In sensiblen Bereichen (die zur Beendigung der Verhandlungen zum InstA geführt haben) sind die Landezonen detailliert verschriftlicht. In anderen Bereichen (wie den neuen Abkommen) sind sie allgemein beschrieben.
- Mit Verschriftlichung der möglichen Landezonen erleichtert das CU den Einstieg in allfällige Verhandlungen. Das erhöht auch die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss.
Verhandlungen
Das übergeordnete Ziel ist, die Wohlfahrt und nachhaltige Entwicklung der Schweiz zu fördern sowie die Freiheit und Sicherheit zu schützen, wie es die BV Art.2 fordert. Um dies in der Beziehung mit der EU zu erreichen, ist der Bilaterale Weg am besten geeignet, wie der Bundesrat festgestellt hat (s. Bericht «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz-EU»). Er bietet von den verschiedenen Optionen (darunter EU-Beitritt, EWR-Beitritt und reines Freihandelsverhältnis) das ausgewogenste Verhältnis zwischen politischem Handlungsspielraum und Beteiligungsvorteilen. Dank den bilateralen Abkommen beteiligt sich die Schweiz sektoriell am EU-Binnenmarkt und nimmt an verschiedenen EU-Programmen teil. Der bilaterale Weg hat sich bewährt und geniesst in der Schweizer Bevölkerung hohe Akzeptanz. Entsprechend will der Bundesrat diesen Weg stabilisieren und weiterentwickeln.
Durch die Sicherung und den Ausbau der Binnenmarktabkommen, will der Bundesrat der Schweizer Wirtschaft weiterhin einen massgeschneiderten Zugang zum EU-Binnenmarkt gewährleisten. Ausserdem will er die enge Einbindung in das europäische Stromsystem absichern und die Krisenvorsorge im Gesundheitsbereich verbessern. Eine Einigung mit der EU im Rahmen des Paketansatzes deblockiert zudem die Schweizer Teilnahme an EU-Programmen (wie dem Horizon-Paket) und eröffnet Schweizer Forschenden, aber auch Schülerinnen und Schülern, Lernenden, Studierenden, Lehrkräften, Dozierenden und weiterem Bildungspersonal die systematischere Teilnahme an künftigen EU-Programmen, was den Zukunftsperspektiven des ganzen Forschungs-, Innovations- und Bildungsstandortes Schweiz zugutekommt. Eine Herausforderung ist indes, dass die Abkommen statisch sind, der rechtliche Besitzstand (Acquis communautaire) in der EU sich aber laufend weiterentwickelt. Institutionelle Anpassungen bei den Binnenmarktabkommen sind dementsprechend geeignet, diesen Gegensatz weitgehend zu bereinigen. Im Vordergrund stehen dabei Fragen der Rechtsübernahme und der Streitbeilegung. Es ist vorgesehen, diese Fragen direkt in den jeweiligen Binnenmarktabkommen zu regeln.
Die bestehende Binnenmarktbeteiligung würde ohne institutionelle Lösungen sukzessive zurückgebaut. Das bedeutet, dass der bilaterale Weg schrittweise abbröckeln würde, die Binnenmarktbeteiligung würde ausgedünnt, die Kooperationen würden hinfällig werden. Das Resultat wäre somit nicht der Status quo, sondern eine zunehmend eingeschränkte Beteiligung am Binnenmarkt und weniger Kooperationen, was zu Einbussen und zunehmender Rechtsunsicherheit führte.
Am 18. März 2024 eröffneten Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel die Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz. Anwesend bei diesem Treffen waren auch die Chefunterhändler beider Seiten.
Sondierungen waren diplomatische und technische Gespräche mit der Europäischen Kommission (EU-KOM). Die Verhandlungen sind Gespräche, die basierend auf einem vom Bundesrat verabschiedeten Mandat zu einem verbindlichen Ergebnis führen sollen. Die Ergebnisse der Verhandlungen sind nach Abschluss des innerstaatlichen Genehmigungsprozesses völkerrechtlich bindend.
Grundsätzlich ja: der Bundesrat will die in den Sondierungsgesprächen skizzierten Lösungen konkretisieren und offene Fragen angehen.
Das CU ist ein diplomatisch-technisches Dokument der Delegationschefs. Es ist rechtlich nicht bindend. Sein Zweck ist es, eine solide Basis für Verhandlungen zu schaffen, die die Chancen auf einen Verhandlungserfolg erhöhen.
Das CU regelt nicht alle Fragen im benötigten Detaillierungsgrad. Dafür sind die Verhandlungen da.
Grundsätzlich geht es für jeden Bereich darum, je nach Detaillierungsgrad der skizzierten Lösungen das Erreichte zu konsolidieren und offene Fragen anzugehen. Siehe oben den Teil «Resultate der Sondierungsgespräche».
- Die innenpolitische Struktur für die Verhandlungen stellt eine Fortführung der bestehenden Projektorganisation dar.
- Die sog. Kern- und Steuerungsgruppe sowie das Sounding Board steuern und begleiten weiterhin die innenpolitische Umsetzung der aussenpolitischen Arbeiten. Leiter dieser Gremien: Der Vorsteher des EDA.
- Zu den Bereichen Lohnschutz, Strom, Landverkehr und Zuwanderung werden innenpolitische Gespräche mit den relevanten Akteuren unter der Federführeng des zuständigen Departementes weitergeführt.
Die einzelnen Bestandteile des Pakets werden unter der Gesamtleitung des Chefunterhändlers Patric Franzen, stellvertretender Staatssekretär im EDA, parallel verhandelt. Jedes Element des Pakets wird vom Chefunterhändler und dem Fachunterhändler aus dem zuständigen Departement gemeinsam verhandelt.
Eine interdepartementale Arbeitsgruppe unter der Leitung von EDA-Staatssekretär Alexandre Fasel wird die in der Schweiz durchgeführten Arbeiten mit jenen im Rahmen der Verhandlungen koordinieren. Die im September 2022 eingesetzte Projektorganisation bleibt unverändert und steht weiterhin unter der Leitung des EDA-Vorstehers.
Innenpolitische Struktur
Es liegt auch im Interesse der Schweiz, eine rasche Lösung mit der EU zu finden. Der Bundesrat will aber eine nachhaltige Lösung, welche die wesentlichen Interessen des Landes berücksichtigt und von einer innenpolitischen Mehrheit mitgetragen werden kann. Die Qualität ist nach wie vor zentral.
Der Bundesrat hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, eine rechtliche Analyse zur Frage des (obligatorischen oder fakultativen) Referendums vorzulegen, dem das Paket im Falle eines erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen unterstellt werden soll. Der Bundesrat wird den eidgenössischen Räten diesbezüglich im Rahmen der Verabschiedung der Botschaft über das Verhandlungspaket zur Genehmigung durch das Parlament Antrag stellen. Dem Parlament wird der definitive Entscheid über diese Frage obliegen.
Nach Abschluss der Verhandlungen paraphieren der Chefunterhändler und der mitverantwortliche Unterhändler des für die Substanz zuständigen Amtes den ausgehandelten Text.
Stromabkommen
Die Schweiz ist physisch eng in das europäische Stromsystem eingebunden. Die Kooperation mit der EU ist zentral, um die Netzstabilität, die Versorgungssicherheit und den Stromhandel zu stärken.
Die EU ist daran, einen europäischen Strombinnenmarkt zu errichten. Die Schweiz und die EU wollen Ihr Energiesystem bis 2050 dekarbonisieren. Dies bedingt eine weitgehende Elektrifizierung und einen starken Ausbau von erneuerbaren Energien. Grenzüberschreitende Stromflüsse nehmen stark zu. Um die Stabilität des Schweizer Stromsystems auch künftig sicherzustellen, ist eine institutionell geregelte Einbindung der Schweiz wichtig.
Neben dem zentralen Beitrag an die Netzstabilität und Versorgungssicherheit hat ein Stromabkommen weitere Vorteile: Die flexible Schweizer Wasserkraft kann optimal auf den europäischen Märkten eingesetzt werden, die Rechtssicherheit in den Beziehungen mit der EU erleichtert Investitionen in Produktionsanlagen und Übertragungsnetze von Schweizer Akteuren in der Schweiz und in Europa. Die Herausforderung der Dekarbonisierung des Schweizer Energiesystems bis 2050 kann im Verbund mit Europa einfacher, sicherer und kostengünstiger bewältigt werden als isoliert.
- Heute sind die Haushalte und KMU nicht nur in der Wahl der Lieferanten eingeschränkt, sondern oft auch in der Auswahl der Stromqualität hinsichtlich Herkunft und erneuerbarer Strom Das ändert sich mit einer Öffnung.
- Mit einem Wettbewerb würde der Druck auf die Stromversorger steigen, bessere und günstigere Angebote für die Haushalte und KMU zu machen. Derzeit besteht der Wettbewerb nur bei Grosskunden.
- Die Strommarktöffnung ermöglicht den Haushalten und KMU eine grössere Auswahl innovativer Produkte (bspw. hinsichtlich dynamischer Preise und der Integration von erneuerbaren Energien, Wärmepumpen und Elektromobilität).
- Eine Strommarktöffnung ermöglicht den Verkauf und Austausch von lokal erzeugtem Strom («Quartierstrom»), ohne dass dafür spezifische Voraussetzungen erfüllt werden müssen.
Die Strommärkte wurden in den EU-Mitgliedsstaaten 2007 vollständig geöffnet. Im Sinn gleicher Wettbewerbsbedingungen und Rechte der Konsumenten fordert die EU von der Schweiz mit einem Stromabkommen die volle Marktöffnung. Im Text zum gemeinsamen Verständnis wird indes festgehalten, dass die Schweiz Massnahmen zum Schutz von Haushalten und kleinen Unternehmen über eine Grundversorgung treffen darf.
Die Schweiz wird die Strommarktöffnung mit einem Wahlmodell umsetzen. Das heisst: Haushalte haben die Wahl, ob sie in der Grundversorgung verbleiben oder in den freien Markt wechseln wollen. Haushalte und KMU, die sich für den freien Markt entscheiden, sollen zudem die Möglichkeit erhalten, unter gewissen Rahmenbedingungen wieder zurück in die Grundversorgung wechseln zu können.
Am freien Markt können Haushalte und KMU direkt von tiefen Strompreisen profitieren. Die Preise können aber auch rasch steigen. In der Grundversorgung bleiben die Preise reguliert. Dies schützt die Haushalte und KMU ein Stück weit vor starken Preisschwankungen.
Falsch: Die Förderung von erneuerbaren Energien ist in der EU grundsätzlich zulässig. Auch das neue Instrument der «gleitenden Marktprämie» existiert in EU-Mitgliedsstaaten (z.B. Deutschland) und ist mit einem StromA und den darin enthaltenen Beihilfebestimmungen kompatibel.
Die Schweizer Stromwirtschaft ist fast ausschliesslich im Eigentum der öffentlichen Hand. Das öffentliche Eigentum ist auch im EU-Strombinnenmarkt weit verbreitet und unproblematisch (siehe Stadtwerke in Deutschland/Österreich oder EDF in Frankreich). Auch Massnahmen zur Restrukturierung/Rettung von in Schieflage geratenen Unternehmen sind nach EU-Recht möglich.
Ob eine allfällige explizite oder implizite Staatsgarantie eine staatliche Beihilfe darstellen könnte und ob sie zulässig wäre, hängt aber von deren Ausgestaltung ab und wäre im Einzelfall zu prüfen.
Die Schweiz ist mit über 40 grenzüberschreitenden Stromleitungen eng mit dem Stromnetz ihrer Nachbarländer verbunden. Gleichzeitig steht die Stromversorgung in ganz Europa vor grossen Herausforderungen. Ein Stromabkommen zwischen der Schweiz und der EU kann einen zentralen Beitrag zu deren Lösung leisten. Es regelt den Zugang der Schweiz zum europäischen Strommarkt, minimiert Risiken wie ungeplante Stromflüsse und erhöht die Versorgungssicherheit.
Nein. Gemäss EU-Recht müssen Verteilnetzbetreiber mit mehr als 100'000 Kunden rechtlich von anderen Aktivitäten in Produktion, Handel und Lieferung getrennt werden. Vorschriften für das Eigentum von Stromunternehmen oder für eine Privatisierung gibt es nicht. Das Schweizer Stromrecht sieht bereits heute eine buchhalterische Trennung der Netzbetreiber vor. Ebenso sind Quersubventionierungen von Netzbetrieb und Stromlieferung bereits mit geltendem Recht verboten.
Heute gibt es in der Schweiz ca. 610 integrierte Stromversorger mit einer Versorgungspflicht für die 2'136 Schweizer Gemeinden.
Digitalisierung und Effizienzsteigerungen führen schon heute dazu, dass es zu einer «Marktkonsolidierung» kommen wird. Das heisst: Kleine, lokale Stromunternehmen schliessen sich zusammen oder werden Teil eines grösseren Energieunternehmens.
Mit der Strommarktöffnung würden die Stromversorger für die Stromlieferung dem Wettbewerb ausgesetzt, was vermutlich die Konsolidierung verstärken dürfte. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, dass sich die sehr kleinen Stromversorger beispielsweise zu einem regional grösseren Unternehmen zusammenschliessen werden, um sich mit Blick auf die Marktöffnung professioneller aufzustellen.
Der Netzbetrieb hingegen verbleibt auch mit der Strommarktöffnung ein Monopol.
Auch das EU-Strombinnenmarktrecht erlaubt nationale Massnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit, sofern diese begründet werden können. Mehrere EU-Mitgliedsstaaten haben ebenfalls Reservekraftwerke. Die EU-Vorgaben sind in die Konzeption der Wasserkraftreserve und der Reservekraftwerke in der Schweiz eingeflossen. Zudem werden diese Reserven nur in Extremsituationen ausserhalb des Marktes eingesetzt, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die Diskussion bezüglich Vereinbarkeit der CH-Reserven mit EU-Recht muss in den Stromverhandlungen geführt werden. Es ist möglich, dass die EU Anpassungen bezüglich Ausgestaltung der Reserven verlangen wird, damit diese mit EU-Recht vereinbar sind.
Die EU baut in hohem Tempo ein europäisches Wasserstoffsystem aus und fördert dieses über verschiedene Instrumente (u.a. EU-Industriepolitik, Innovationsfonds, Transeuropäische Energienetzwerke/Projects of Common Interest). Der Rat der EU und das EU-Parlament bereinigen zurzeit eine Gesetzesinitiative zur Regulierung des Wasserstoffmarktes. Diese baut auf der bestehenden Regulierung des EU-Gasbinnenmarktes auf.
Der Gasverbrauch in der Schweiz ist im Vergleich zum Verbrauch in den EU-Mitgliedsstaaten gering. Dieser entspricht in etwa dem Verbrauch der Stadt Hamburg. Der Schweizer Gasmarkt ist heute kaum reguliert. Der Bundesrat wird dem Parlament voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte im 2024 eine Botschaft zur Regulierung des Gasmarktes durch ein Gasversorgungsgesetz unterbreiten. Deshalb ginge der Einbezug von Wasserstoff in das Stromabkommen heute zu weit. Im Schweizer Verhandlungsmandat ist aber eine Bestimmung vorgesehen, damit das Stromabkommen künftig auf Wasserstoff erweitert werden kann (sog. Evolutivklausel).
Der Bundesrat hat Anfang März das definitive Verhandlungsmandat verabschiedet. Der EU-Rat hat ebenfalls Anfang März das Mandat der EU genehmigt. Die Verhandlungen wurden am 20. März aufgenommen. Wie lange diese dauern werden, ist u.a. von den Anliegen der EU abhängig und kann nicht vorweggenommen werden.
Die meisten der heutigen Beihilfen im Strombereich sollten mit dem EU-Beihilferecht vereinbar sein. Das betrifft z.B. den Ausbau der erneuerbaren Energien, wie die Einspeisevergütung oder die Investitionsbeiträge. Sie werden so oder ähnlich auch in den EU-Staaten praktiziert.
Lebensmittelsicherheit
Das bestehende Landwirtschaftsabkommen soll im Bereich der Lebensmittelsicherheit erweitert werden. Dadurch würde die Zusammenarbeit zwischen der CH und der EU entlang der ganzen Lebensmittelkette gestärkt. Mit der Ausdehnung wird das Abkommen den überwiegenden Teil des Handels mit Agrargütern mit der EU abdecken.
So soll ein umfassender Lebensmittelsicherheitsraum mit der EU geschaffen werden. Um die Sicherheit von Agrarerzeugnissen und Lebensmittel im gemeinsamen Handel langfristig zu gewährleisten, sowie die Konsumentinnen vor Täuschungen und Betrug zu schützen, wollen die Schweiz und die EU im Bereich Lebensmittelsicherheit enger zusammenarbeiten. Zudem würde auch die Zusammenarbeit hinsichtlich der Zulassung von neuartigen Lebensmitteln erleichtert (wie bspw. Insekten als Lebens- und Futtermittel).
Heute noch bestehende technische Handelshemmnisse für Lebensmittelkette werden durch Abkommen abgebaut. Betrifft Handel mit pflanzlichen (z.B. Nüsse) und zusammengesetzten Lebensmitteln (z. B. Milchschokolade mit Nüssen). Bedingungen für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs und die entsprechenden Kontrollen werden gegenseitig anerkannt. Dadurch erhalten CH-Produzenten besseren Zugang zum EU-Binnenmarkt.
Die Schweiz soll Zugang zu den relevanten Komitees und Arbeitsgruppen, Risikobewertungen der EU, EU-Warnsystemen (u.a. Täuschungsschutz, Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel RASSF) erhalten.
Die Schweiz soll auch Zugang zur Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA erhalten. Dadurch kann sich die Schweiz an den Diskussionen zwischen der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedstaaten im Bereich Lebensmittelsicherheit beteiligen. Zudem ist die Integration in die Zulassungsverfahren der EU (z.B. für neuartige Lebensmittel) vorgesehen und somit der Zugang zu entsprechenden Daten.
Ausnahmen, die bereits im Agrarabkommen bestehen, werden abgesichert. Wo die Schweiz ein höheres Schutzniveau aufweist (bspw. Tierschutz), soll dieses beibehalten werden
Die CH hat sowohl im Lebensmittel- als auch im Saatgutbereich eine restriktivere Gesetzgebung betr. GVO als die EU. Die bestehende Ausnahme im Landwirtschaftsabkommen für gentechnisch verändertes Saatgut wird beibehalten. Für GVO-Lebensmittel sollen neue Ausnahmen ausgehandelt werden, die nicht der dynamischen Rechtsübernahme unterstehen.
Das heutige Tiertransitverbot wird auch mit dem Lebensmittelsicherheitsabkommen Bestand haben. Zudem strebt die Schweiz eine Absicherung des Tierschutzniveaus an, für die Fälle, in denen die Schweizer-Anforderungen höher sind als jene der EU (keine Absenkung).
Nein. Schon das heutige Landwirtschaftsabkommen sieht keine Harmonisierung der Landwirtschaftspolitik zwischen der Schweiz und der EU vor. Beide Seiten bleiben frei in deren Ausgestaltung. Dies wird sich mit dem Lebensmittelsicherheitsabkommen nicht ändern. Auch den bestehenden Grenzschutz für Agrarprodukte (d.h. Zölle und Kontingente) kann die Schweiz aufrechterhalten.
Gesundheitsabkommen
Gesundheitskrisen machen nicht vor Grenzen halt. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine gute grenzüberschreitende Koordination und Zusammenarbeit ist. Es ist deshalb im Interesse der Schweiz, an den Netzwerken und Mechanismen der EU zur Krisenbewältigung sowie zur Prävention von grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen teilzunehmen und so den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu stärken. Ohne ein Gesundheitsabkommen mit der EU hat die Schweiz keinen gesicherten Zugang zu den relevanten Mechanismen, die Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich erfolgt fallweise (ad hoc) und beschränkt sich auf Krisensituationen wie Covid-19.
Die Schweiz strebt bereits seit 2008 ein Abkommen im Bereich öffentliche Gesundheit mit der EU an. Das angestrebte Gesundheitsabkommen hat prioritär zum Ziel, die Zusammenarbeit mit der EU im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu stärken und der Schweiz eine Beteiligung an den für das Krisenmanagement relevanten Netzwerken und Mechanismen der EU sowie am mehrjährigen Gesundheitsabkommen der EU zu ermöglichen. Damit könnte die Schweiz ihre Frühwarn- und Reaktionsfähigkeit stärken und die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung besser schützen. Eine solche Zusammenarbeit ist nicht nur in Krisensituationen wichtig, sondern auch zur Vorbeugung von Krisen.
- den Gesundheitssicherheitsausschuss (HSC), der bei schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen eine wichtige Koordinationsrolle bezüglich Prävention, Bereitschaft und Bewältigung spielt;
- das Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS), das ein Instrument zur Bewertung und Überwachung von Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit ist und zur Bestimmung von Massnahmen, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich sein können;
- das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), das die beteiligten Staaten beim Schutz vor übertragbaren Krankheiten unterstützt und insbesondere die Früherkennung und Analyse von Gesundheitsbedrohungen sicherstellt.
Es handelt sich in erster Linie um:
Vor dem Hintergrund der Coronapandemie gewährte die Europäische Kommission der Schweiz auf deren formellen Antrag einen provisorischen und begrenzten Zugang zu einem Teil des Krisenbewältigungsmechanismus der EU, insbesondere zum Gesundheitssicherheitsausschuss und zum Frühwarn- und Reaktionssystem. Im Juli 2023 teilte die Europäische Kommission der Schweiz mit, dass der Zugang eingestellt wurde. Die Schweiz hat daher erneut keinen Zugang zu diesen Mechanismen und Informationen.
Das von der Schweiz angestrebte Gesundheitsabkommen fokussiert auf Gesundheitssicherheit. Die Schweiz könnte ihr Gesundheitssystem weiterhin frei gestalten.
Das angestrebte Gesundheitsabkommen dient dazu, die Beteiligung der Schweiz an den relevanten Netzwerken und Mechanismen der EU für das Krisenmanagement zu ermöglichen. Dies würde der Schweiz einen schnellen Zugang zu Informationen ermöglichen und so ihre Fähigkeit zur Warnung und schnellen Reaktion stärken, was zu einem besseren Schutz der Gesundheit der Bevölkerung beiträgt.
Der Anwendungsbereich des angestrebten Gesundheitsabkommens konzentriert sich auf die Gesundheitssicherheit. Das Abkommen wird sich wie im Entwurf von 2018 auf die Beteiligung der Schweiz an den entsprechenden EU-Mechanismen und -Netzwerken im Bereich der Gesundheitssicherheit sowie am Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten und am Mehrjahresprogramm der EU im Gesundheitsbereich beschränken.
Das Abkommen kann die Möglichkeit für die Schweiz und die EU vorsehen, ihre Zusammenarbeit künftig auf andere Gebiete im Bereich Gesundheit auszuweiten, falls dies im Interesse beider Parteien ist (Evolutivklausel).
Beim Gesundheitsabkommen handelt es sich nicht um ein Binnenmarktabkommen. Die institutionellen Elemente, die für die Binnenmarktabkommen vorgesehen sind, sollen gemäss Entwurf der Verhandlungsleitlinien analog auch ins Gesundheitsabkommen aufgenommen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Schweiz direkt an den relevanten EU-Mechanismen und Netzwerken im Gesundheitsbereich teilnehmen kann.
EU-Programme
Nach Abschluss der Sondierungen zum Paketansatz nahmen die Schweiz und die EU Ende November 2023 exploratorische Gespräche über eine systematischere Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen auf. Diese Gespräche betrafen auch die Assoziierung der CH am Horizon-Paket 2021-2027 (bestehend aus: Horizon Europe, dem Euratom-Programm, der Forschungsinfrastruktur ITER und dem Digital Europe Programm DEP). Im März 2024 wurden Verhandlungen zur Assoziierung der Schweiz an EU-Programme – als Teil des Gesamtpakets – aufgenommen.
Übergangsregelung 2024
Nach Verhandlungsbeginn zum Gesamtpaket werden Forschende in der Schweiz zur Ausschreibung Advanced Grant 2024 des prestigeträchtigen Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) zugelassen. Diese Übergangsregelung wurde bei Verhandlungsbeginn über das Gesamtpaket im März 2024 aktiviert.
Übergangsregelung 2025
Sobald das Specific Agreement (inkl. Protokoll zum Horizon-Paket 2021-2027) paraphiert worden ist, erhalten Akteure in der Schweiz Zugang zu den Ausschreibungen des Programmjahres 2025 von Horizon Europe und dem Euratom-Programm (mit Ausnahme von Bereichen der «strategischen Autonomie der EU» wie z.B. Quantum und Raumfahrt). Im Juli 2024 dehnte die EU den Zugang auf drei weitere Ausschreibungen des ERC aus: Starting Grant 2025, Synergy Grant 2025 und Consolidator Grant 2025. Die Schweiz setzt sich in den Verhandlungen weiterhin für die möglichst rasche Paraphierung des Specific Agreements ein, so dass der Zugang zu den Ausschreibungen 2025 von Horizon Europe und dem Euratom-Programm aktiviert wird.
Das Specific Agreement ist als Teil des Gesamtpakets ein zeitlich unbefristetes Abkommen mit der EU. Es umfasst die allgemeinen Bestimmungen der Assoziierung der Schweiz als Drittstaat an EU-Programme. Die eigentliche Beteiligung an jedes EU-Programm erfolgt darauf in Form von zeitlich befristeten Protokollen für jede Programmgeneration im Anhang des Specific Agreements.
Ein Verhandlungsmandat für Erasmus+ hatte der Bundesrat bereits Anfang 2021 verabschiedet. Nach Abschluss der Sondierungen zum Paketansatz nahmen die Schweiz und die EU Ende November 2023 exploratorische Gespräche über eine systematischere Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen auf. Im Rahmen dieser Gespräche konnten u.a. die wesentlichen Parameter für eine Assoziierung an Erasmus+ geklärt werden. Im März 2024 begannen die Verhandlungen zur Assoziierung der Schweiz an Erasmus+ als Teil der Verhandlungen über das Gesamtpaket.
Da der Bundesrat dem Parlament für die Finanzierung der Assoziierung an Erasmus+ einen separaten Finanzierungsentscheid unterbreiten muss und die Akkreditierung einer nationalen Agentur für die Umsetzung des Programms eine Vorbedingung für den Programmeinstieg darstellt, wäre eine Assoziierung frühestens ab 2026 möglich.
Die Teilnahme der Schweiz an den EU-Satellitennavigationsprogrammen Galileo/EGNOS ist in einem unbefristeten Kooperationsabkommen geregelt. Ein Abkommen zur Teilnahme der Schweiz an der EU-Agentur für das Weltraumprogramm (EUSPA) ist Teil des Gesamtpakets. Verhandlungen über den Zugang zum verschlüsselten Galileo-Dienst PRS können in einem zweiten Schritt, nach Abschluss der EUSPA-Verhandlungen, aufgenommen werden.
Der Bundesrat strebt eine Teilnahme der Schweiz am EU-Programm «Creative Europe» an. Die Teilnahme der Schweiz an Creative Europe setzt die Angleichung der Schweizer Gesetzgebung an die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste der EU (AVMD-Richtlinie) voraus. Ein Verhandlungsmandat auf Schweizer Seite ist noch nicht vorhanden.
Die Kosten der Programmbeteiligungen können erst beziffert werden, wenn klar ist, an welche Programme die CH sich assoziiert, und wie diese Assoziierungen genau ausgestaltet werden.
Institutionelle Lösungen
Die dynamische Rechtsübernahme, die einheitliche Anwendung und Auslegung der Abkommen, deren Überwachung sowie die Streitbeilegung.
Die institutionellen Lösungen beziehen sich auf die Binnenmarktabkommen: PFZ (Personenfreizügigkeit), Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr und MRA (Abbau technischer Handelshemmnisse). Mit dem Paket sollen neu Strom und Lebensmittelsicherheit hinzukommen.
- Sie stellen sicher, dass gleiche Spielregeln für alle Marktteilnehmenden im gemeinsamen Binnenmarkt gelten.
- Die Binnenmarktabkommen werden durch sie regelmässig auf den neusten Stand gebracht.
- Sie sorgen dafür, dass die Binnenmarktabkommen gut, zuverlässig und langfristig funktionieren.
- Sie stärken Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit im Binnenmarktbereich. Das ist insbesondere für die Schweizer Wirtschaftsakteure essenziell.
Nein, die dynamische Rechtsübernahme gilt nur für EU-Rechtsakte, die in den Anwendungsbereich der Binnenmarktabkommen fallen und nicht von einer Ausnahme betroffen sind.
Die Auslegung und die Überwachung der Binnenmarktabkommen sollen im sogenannten Zwei-Pfeiler-Modell erfolgen: Die Schweiz und die EU nehmen die entsprechenden Aufgaben eigenständig auf ihrem Territorium wahr. Entsprechend erfolgt die Auslegung von Schweizer Recht weiterhin durch Schweizer Gerichte, die Auslegung von EU-Recht weiterhin durch EU-Gerichte, in der Regel durch den EuGH (Gerichtshof der Europäischen Union).
Bei der Übernahme von neuem EU-Binnenmarktrecht sind die verfassungsmässigen Verfahren, insbesondere auch die Möglichkeit eines Referendums, gewährleistet. Die Schweiz verpflichtet sich lediglich im Bereich der Binnenmarktabkommen zu einer dynamischen Rechtsübernahme. «Dynamisch» heisst nicht «automatisch»: Die Schweiz entscheidet über jede Rechtsübernahme eigenständig und verabschiedet die entsprechenden Gesetze und Regelungen auf ihre Weise, gegebenenfalls inklusive Referendum.
Zudem sollen in Bezug auf die Rechtsübernahme Ausnahmen definiert werden, die von EU-Rechtsentwicklungen nicht beeinflusst werden.
Mitspracherecht: Die Schweiz erhält das Recht auf Beteiligung bei der Ausarbeitung von EU-Rechtsakten, wenn diese sie direkt betreffen werden (decision shaping).
Die Streitbeilegung soll auch weiterhin zuerst im politischen gemischten Ausschuss des betroffenen Abkommens thematisiert werden. Erst wenn man sich dort nicht einig wird, würde die umstrittene Frage durch ein neues paritätisches Schiedsgericht behandelt.
Dieses Schiedsgericht hätte das letzte Wort in jeder politisch nicht bereinigten Differenz zwischen der Schweiz und der EU. Für das Schiedsgericht ist die Auslegung von EU-Recht wichtig, wenn es um die Spielregeln des EU-Binnenmarkts geht. Es würde unter zwei Voraussetzungen den EuGH beiziehen: Erstens muss der Streit Fragen zum EU-Recht beinhalten, und zweitens muss die Auslegung dieses Rechts aus Sicht des Schiedsgerichts für die Beurteilung des Streitfalls relevant und notwendig sein. Der Streit selbst wird aber immer vom Schiedsgericht beurteilt, der EuGH darf also nicht entscheiden.
- Die institutionellen Elemente werden gemäss einem sektoriellen Ansatz in jedem einzelnen Binnenmarktabkommen separat verankert und somit spezifischer angelegt.
- Die Auslegungskompetenz des Bundesgerichts und der schweizerischen Gerichte für Schweizer Recht wird ausdrücklich gewahrt.
- Bei der Lösung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Ausnahmen, die keine EU-Rechtsbegriffe implizieren, entscheidet das Schiedsgericht alleine; dem EuGH kommt ausdrücklich keine Rolle zu. Abschliessend entscheidet in jedem Fall das Schiedsgericht über einen Streit.
- Die Suspendierung eines bestimmten Abkommens wird nicht explizit als mögliche Ausgleichsmassnahme im Fall eines ungelösten Streits erwähnt.
Die verfassungsrechtliche Ordnung der Schweiz, das Funktionieren ihrer Institutionen sowie die aus der direkten Demokratie, dem Föderalismus und der Unabhängigkeit des Landes fliessenden Prinzipien werden auch unter der dynamischen Rechtsübernahme gewahrt werden. Insbesondere werden bei der Übernahme die verfassungsrechtlichen Kompetenzen von Bund, Kantonen, Gemeinden sowie von Parlament und Volk respektiert werden.
Die dynamische Rechtsübernahme ist verbunden mit einer Mitwirkung bei der Erarbeitung von EU-Rechtsakten (decision shaping). Die Schweiz kann dementsprechend bereits zu einem frühen Stadium an der Weiterentwicklung des sie betreffenden EU-Rechts teilnehmen (Ziffer 6.5, definitives Verhandlungsmandat, 8.3.2024). Zusätzlich kann sie, wie heute schon, weiterhin via like-minded EU-Mitgliedstaaten Einfluss zu nehmen versuchen.
Das definitive Verhandlungsmandat gemäss Bundesratsbeschluss vom 8. März 2024 sieht in Ziffer 6.8 vor, dass die Schweiz die Etablierung einer parlamentarischen Zusammenarbeit zwischen der Bundesversammlung und dem Europäischen Parlament anstrebt. Dies ist nun Gegenstand der Verhandlungen.
Während den laufenden Verhandlungen wird der Bundesrat dem Parlament gemäss den gesetzlichen Vorgaben regelmässig Bericht erstatten. Und nach Abschluss der Verhandlungen wird der Bundesrat dem Parlament die Ergebnisse zur Genehmigung unterbreiten.
Die bestehenden Informations- und Konsultationsrechte des Parlaments werden auch im Rahmen des künftigen «decision shaping» (Mitwirkungsrecht bei der Erarbeitung von EU-Rechtakten) zur Anwendung gelangen. Allenfalls könnten diese diesbezüglich auch noch spezifisch verstärkt werden. Das ist aber eine innenpolitische Frage. Allenfalls wird die vom Nationalrat (basierend auf einem Bericht der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates vom 19. Juni 2023) am 14. März 2024 neu konstituierte Subkommission für Europafragen dazu ebenfalls Vorschläge machen.
Bei der eigentlichen Übernahme der neuen relevanten EU-Rechtsakte werden die Kompetenzen des Parlaments wie oben ausgeführt auch in Zukunft vollumfänglich gewahrt bleiben.
- muss der Streit Fragen zum EU-Recht beinhalten
- muss die Auslegung dieses Rechts aus Sicht des Schiedsgerichts für die Beurteilung des Streitfalls relevant und notwendig sein.
Nein.
Die Streitbeilegung soll auch weiterhin zuerst im politischen Gemischten Ausschuss behandelt werden. Erst wenn die Uneinigkeit bleibt, kann ein paritätisches Schiedsgericht mit der Streitigkeit befasst werden.
Paritätisch heisst: Die Schweiz und die EU sind gleichermassen vertreten.
Dieses Schiedsgericht hätte in jedem Streitfall zwischen der Schweiz und der EU das letzte Wort. Zur Auslegung des EU- oder des Schweizer Rechts, würde es die Rechtsprechung in der Schweiz bzw. der EU berücksichtigen.
Für das Schiedsgericht ist die Auslegung von EU-Recht wichtig, wenn es um die Spielregeln des EU-Binnenmarkts geht. Unter zwei Voraussetzungen würde es den EuGH beiziehen:
Der Streit selbst wird aber immer vom Schiedsgericht beurteilt, der EuGH darf also nicht entscheiden.
Nein. Ausgleichsmassnahmen dienen – wie der Name schon sagt – dem Ausgleich der Schädigung aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens. Sie haben keinen Strafcharakter.
Ausgleichsmassnahmen wären im Übrigen im Völkerrecht auch ohne explizite Vereinbarung möglich.
Vorteil dieser Lösung: Es gibt mehr Rechtssicherheit. Ausgleichsmassnahmen sind auf Binnenmarktabkommen beschränkt und müssen verhältnismässig sein. Die Schweiz kann die Verhältnismässigkeit durch das Schiedsgericht prüfen lassen. Das ist eine Verbesserung im Vergleich zur heutigen Situation.
Diese Lösung schliesst Ausgleichsmassnahmen für allfällige Verletzungen eines Binnenmarktabkommens ausserhalb der Binnenmarktabkommen (bspw. im Bereich der Programmbeteiligungen) aus. Es ist zudem auch im Interesse der Schweiz, dass allfällige Ausgleichsmassnahmen nicht nur auf das betroffene Binnenmarktabkommen begrenzt sind, denn es ist auch möglich, dass die Schweiz zukünftig in die Lage kommt, Ausgleichsmassnahmen ergreifen zu wollen. In diesem Fall wäre es im Interesse der Schweiz, Spielraum zu haben, um tatsächlich wirksame Massnahmen ergreifen zu können.
Im Streitbeilegungsmechanismus können alle Differenzen zwischen der Schweiz und der EU bzw. deren Mitgliedstaaten betreffend die Auslegung und die Anwendung der Binnenmarktabkommen behandelt werden. Dieser Mechanismus bleibt aber ein zwischenstaatlicher. D.h., er ist nicht für Klärungen zwischen Einzelpersonen oder Unternehmen vorgesehen und auch nicht für die Beziehungen zwischen einem Unternehmen und dem Staat.
Dieses System schafft grössere Rechtssicherheit. Mit dem bisherigen System hatte keine Instanz die Autorität, Rechtstreitigkeiten zu entscheiden und so zu beenden. Ausserdem werden die wesentlichen Interessen der Schweiz gewahrt.
Die Rechtssicherheit wird durch die Verpflichtung zur dynamische Rechtsübernahme und ein gerichtliches Streitbeilegungsverfahren erhöht. Dadurch ist klar, was gilt, und Streitigkeiten bleiben nicht über Jahre ungelöst.
Einwanderung/Unionsbürgerrichtlinie UBRL
Durch Ausnahmen und Klarstellungen kann schweizerischen Besonderheiten Rechnung getragen werden. Zu diesen Besonderheiten gehören unsere Verfassung sowie unsere vergleichsweise hohen Löhne und guten Sozialleistungen.
Wir verpflichten uns zwar, EU-Recht im Bereich Personenfreizügigkeit zu übernehmen. Der Zugang zum Sozialsystem bleibt aber an Bedingungen geknüpft und die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz bleiben erhalten. Im Rahmen der Sondierungen haben die Schweiz und die EU besprochen, wie eine Übernahme der UBRL mit unserer Bundesverfassung und mit den migrationspolitischen Zielen der Schweiz vereinbar gemacht werden könnte.
Im Entwurf des Institutionellen Abkommens fand die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) keine Erwähnung. In welchem Umfang sich die Schweiz unter dem Institutionellen Abkommen zu deren Übernahme verpflichtet hätte, wäre voraussichtlich erst im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens gemäss dem im Abkommensentwurf vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus klargeworden. Die jüngsten Sondierungen mit der EU ermöglichten es, die Bedingungen für eine Übernahme zu klären und Schweizer Besonderheiten zu berücksichtigen. Das schafft Rechtssicherheit.
An den Grundprinzipien der Personenfreizügigkeit würde sich wenig ändern. Die Zuwanderung von Arbeitnehmenden aus EU-Ländern bliebe auf den Arbeitsmarkt ausgelegt. Wer sich über längere Zeit in der Schweiz aufhalten will, müsste auch bei einer Übernahme der UBRL grundsätzlich erwerbstätig sein oder genügend Eigenmittel besitzen. 90% aller Personen, die heute im Rahmen des FZA in die Schweiz ziehen, sind Erwerbstätige und ihre Familienangehörigen. Daran würde sich auch mit der UBRL nichts ändern.
- Wer sich beispielsweise während fünf Jahren rechtmässig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, erhält ein Daueraufenthaltsrecht. Das ist neu. Eine für die Schweiz spezifische Ausnahme stellt jedoch sicher, dass das Daueraufenthaltsrecht bei längerer Abhängigkeit von der Sozialhilfe nicht erlangt werden kann.
- EU-Staatsangehörigen kann vor Erlangung des Daueraufenthaltsrechts weniger rasch das Aufenthaltsrecht entzogen werden. Längere Arbeitslosigkeit allein ist beispielsweise kein Grund für einen Aufenthaltsentzug mehr.
- Ein anderes Beispiel ist der Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten. Die UBRL verlangt, dass dieser voraussetzungslos ausgestaltet werden muss, also ohne, dass Bedingungen für den Aufenthalt erfüllt werden müssten.
Die UBRL gewährt den Staatsangehörigen der Vertragsparteien punktuell weitergehende Rechte.
Es handelt sich um punktuelle Verbesserungen für Freizügigkeitsberechtigte in der Schweiz und in der EU, von denen Schweizerinnen und Schweizern im EU-Raum ebenfalls profitieren würden. Zudem berücksichtigt das Sondierungsergebnis Schweizer Besonderheiten. Wichtig zu erwähnen ist, dass das Daueraufenthaltsrecht Erwerbstätigen und ihren Familienangehörigen vorbehalten bliebe. Nichterwerbstätige wie Rentnerinnen und Rentner oder Studierende erhalten dieses Recht nicht.
Es gilt grundsätzlich dieselbe rechtliche Vorgabe wie unter dem aktuellen Freizügigkeitsabkommen: Nur wer über ausreichende Eigenmittel verfügt oder eine Stelle antritt bzw. einer Erwerbstätigkeit nachgeht, kann länger in der Schweiz bleiben. Wer in einer Tieflohnbranche arbeitet und nicht genügend verdient, um den Lebensunterhalt von sich und seiner Familie zu finanzieren, darf bereits heute ergänzend Sozialhilfe beziehen.
Die Zuwanderung ist getrieben von der Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Schweizer Wirtschaft ist auf europäische Fachkräfte angewiesen. Auch wenn die Personenfreizügigkeit mit der EU den Arbeitskräftemangel nicht vollständig beheben kann, so trägt sie doch dazu bei, ihn zu reduzieren. Die Personenfreizügigkeit ist für die Schweiz unerlässlich, damit unsere Unternehmen – gerade auch im Zusammenhang mit dem demographischen Wandel – in Ergänzung zum inländischen Arbeitskräftepotenzial unbürokratisch Arbeitskräfte im Ausland rekrutieren können. Nicht zu vergessen gilt: Dank der Personenfreizügigkeit dürfen auch Schweizerinnen und Schweizer in der EU leben und arbeiten. Ende 2022 lebte rund eine halbe Million Auslandschweizer in Europa.
Ja. Die Respektierung von Art. 121 der Bundesverfassung stellt ein wichtiges Anliegen des Bundesrates dar. In den Sondierungen wurde besprochen, wie diesem Anliegen der Schweiz Rechnung getragen werden kann. Danach müsste die Schweiz grundsätzlich keine Bestimmungen der UBRL übernehmen, die in diesem Bereich über das Freizügigkeitsabkommen hinausgehen. Sie könnte ihre bisherige Praxis grundsätzlich fortführen. Das ist eine wichtige Konzession der EU gegenüber der Schweiz.
Das Parlament hat sich in Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative für die Einführung einer Stellenmeldepflicht in Branchen entschieden, die eine hohe Arbeitslosigkeit aufweisen. Dieser Aspekt wurde in den Sondierungen berücksichtigt.
Im Übrigen erweitert die Übernahme der UBRL den Kreis der Einwanderungsberechtigten im Vergleich zu heute kaum. Im Bereich der Familienzusammenführung werden neu zum Beispiel eingetragene Lebenspartnerinnen und -partner mit Ehepartnerinnen und -partnern gleichgestellt. Diese Gleichstellung kennen wir im Schweizer Recht bereits heute. Im Übrigen konzentriert sich die UBRL darauf, die Rechte von bereits Freizügigkeitsberechtigten zu verbessern.
Wir haben allen Grund zur Annahme, dass die UBRL alleine nur einen geringen Einfluss auf die Gesamteinwanderung hätte. Diese würde weiterhin hauptsächlich durch den Arbeitsmarkt bestimmt.
Der Schutz unserer Lohn- und Arbeitsbedingungen ist für den Bundesrat ein wichtiges Anliegen. Mit der UBRL werden die Rechte der Arbeitnehmenden grundsätzlich gestärkt. Zwar verlangt die UBRL, dass Kurzaufenthalte (Aufenthalte bis drei Monate) grundsätzlich voraussetzungslos ausgestaltet werden müssen. Aber das Sondierungsergebnis sieht vor, dass das bisherige Meldeverfahren für Stellenantretende im Kurzaufenthalt beibehalten werden könnte. Zudem könnte die Schweiz unter bestimmten Bedingungen eine Meldepflicht für selbständige Erwerbstätige einführen, um zu verhindern, dass die auf 90 Tage beschränkte Dienstleistungsfreiheit umgangen werden kann. Die Meldeverfahren ermöglichen die für den Lohnschutz wichtigen Arbeitsmarktkontrollen.
Nein. Die UBRL enthält keine Vorschriften zu politischen Rechten, insbesondere kein aktives oder passives Wahlrecht. Es kann folglich ausgeschlossen werden, dass EU-Staatsangehörigen aufgrund der UBRL in der Schweiz politische Rechte gewährt werden müssten.
Lohnschutz
Doch, um EU-weit den Schutz der Rechte und die Arbeitsbedingungen entsandter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen und um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, enthält das EU-Recht eine Reihe verbindlicher Vorschriften für die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen entsandter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Diese Vorschriften sind in der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern festgelegt, die 1996 angenommen und 2018 überarbeitet wurde. 2014 wurde die Durchsetzungsrichtlinie mit dem Ziel angenommen, die praktische Anwendung der Entsendevorschriften zu verbessern und so den Vollzug in den Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Die EU kennt zahlreiche Massnahmen, wie Kontrollen, Sanktionen oder eine Solidarhaftung, welche auch in der Schweiz zum Schutz der Lohn- und Arbeitsbedingungen umgesetzt werden.
Einerseits das Prinzip «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort»: Das heisst, ausländische Entsendebetriebe müssten die in der Schweiz geltenden Regeln für die Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch für alle Entsandten einhalten.
Anderseits das duale Vollzugssystem bei den FlaM: Weiterhin sollen die Sozialpartner (paritätische Kommissionen) und die Kantone die Lohn- und Arbeitsbedingungen kontrollieren können. Die Sozialpartner könnten ihre in GAV vorgesehenen Sanktionen weiterhin anwenden.
Die Schweiz könnte von Entsendebetrieben und selbständigen Dienstleistungserbringern in Risikobranchen wie dem Baugewerbe eine Voranmeldung verlangen, um Kontrollen zu planen und wirksam durchzuführen. Die Schweiz könnte ausserdem die Risikobranchen und die Kontrolldichte autonom bestimmen.
Weiter könnte die Schweiz von Entsendebetrieben, die nach einem Lohnverstoss eine Konventionalstrafe nicht bezahlt haben, die Hinterlegung einer Kaution verlangen, bevor sie erneut in die Schweiz arbeiten kommen. Wird die Kaution nicht hinterlegt, kann der Betrieb sanktioniert werden. Es wäre möglich, dem Betrieb zu untersagen, in die Schweiz zu kommen (Dienstleistungssperre).
Ausserdem müssten selbständige Dienstleistungserbringer bei einer Kontrolle vor Ort weiterhin ihre Selbständigkeit anhand von Dokumenten nachweisen.
Mit der Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU würde sich die Schweiz verpflichten, relevantes EU-Entsenderecht zu übernehmen.
Würden künftige Anpassungen der EU-Richtlinien oder neues EU-Entsenderecht das Schutzniveau in der Schweiz verschlechtern, ist vorgesehen, dass die Schweiz, gestützt auf eine Non-Regression-Klausel, die Anpassungen oder das neue Recht nicht übernehmen müsste. Die Klausel würde also eine Absicherung des Schweizer Schutzniveaus darstellen. Eine Verschlechterung des Schutzniveaus in der Schweiz wäre nach Abschluss des Pakets mit der EU demnach nicht mehr möglich.
Die autonome Festlegung der Risikobranchen und der Kontrolldichte durch die Schweiz sowie eine Dienstleistungssperre bei Nichtleisten einer Kaution im Wiederholungsfall waren im InstA nicht vorgesehen. Auch nicht vorgesehen war eine Non-Regression-Klausel sowie die Absicherung des dualen Kontrollsystems der Schweiz. Neu ist ebenso, dass umfassende inländische Kompensationsmassnahmen zur Absicherung des aktuellen Lohnschutzniveaus ergriffen werden sollen. Diese wurden mit Einbezug der Sozialpartner und Kantonen identifiziert und befinden sich in Erarbeitung.
Gemäss der revidierten EU-Entsenderichtlinie richtet sich die Pflicht zur Übernahme der Kosten einer Entsendung für Unterkunft, Verpflegung und Reisen nach den Vorschriften des Herkunftslandes. D.h. bei Entsendungen in die Schweiz kämen künftig die Spesenregelungen des entsprechenden EU-Herkunftslandes zur Anwendung und nicht diejenige der Schweiz. In den Verhandlungen wird die Schweiz die EU-Spesenregelung thematisieren, um Lösungen zu suchen, die das Prinzip «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» respektieren und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherstellen.
Auch mit den inländischen Akteuren werden die Gespräche dazu fortgesetzt. Das Ziel ist eine zufriedenstellende Regelung zur Erhaltung des heutigen Schutzniveaus.
Die Schweiz wird gewisse spezifische FlaM absichern können. Die anderen FlaM lassen sich über weite Strecken mit dem heute in der EU geltenden Recht vergleichen, weshalb keine zusätzliche Absicherung mehr nötig ist, um die Löhne zu schützen. Dennoch sind sich der Bundesrat, die Kantone und die Sozialpartner einig, dass es zusätzliche inländische Kompensationsmassnahmen braucht, um das aktuelle Lohnschutzniveau abzusichern. Unter Einbezug der Sozialpartner und der Kantone werden diese technischen Gespräche zu solchen Massnahmen derzeit weitergeführt. Mit diesem Gesamtpaket wird es möglich sein, das heutige Schutzniveau der Lohn- und Arbeitsbedingungen ausreichend abzusichern.
Die Übernahme der während einer Entsendung entstandenen Kosten erfolgt je nach Einsatz unterschiedlich und wird im Einzelfall berechnet. Die Frage kann deshalb nicht generell beantwortet werden. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die Entsendungen aus der EU im Jahr 2022 nur 0,15 Prozent des gesamten Arbeitsvolumens in der Schweiz ausmachten. Nur dieser Anteil wäre von der Spesenregelung betroffen gewesen.
Staatliche Beihilfen / Service public
Staatliche Beihilfen verschaffen bestimmten Unternehmen wirtschaftliche Vorteile und können darum den Wettbewerb verfälschen. Dabei kann es sich um Zuschüsse zu Gunsten bestimmter Unternehmen oder um sonstige finanzielle Vorteile wie vergünstigte Darlehen, Staatsgarantien, Steuervergünstigungen etc. handeln.
Bestimmungen zu staatlichen Beihilfen werden nur dort vorgesehen, wo sie relevant sind. Dies ist bei den drei Binnenmarktabkommen Strom, Luftverkehr und Landverkehr der Fall.
Beim Landwirtschaftsabkommen ist das nicht der Fall, und beide Seiten bleiben in der Ausgestaltung ihrer Agrarpolitik eigenständig. Das heisst auch: Schweizer Direktzahlungen, welche die Besonderheiten der Schweiz berücksichtigen, bleiben zulässig, und die Schweiz entscheidet diesbezüglich weiterhin eigenständig.
Da es sich um finanzielle Vorteile handelt, die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen, können staatliche Beihilfen den Wettbewerb verfälschen.
Unter bestimmten Umständen sind staatliche Beihilfen aber durch übergeordnete öffentliche Interessen gerechtfertigt. Beispielsweise kann dies bei der Förderung von Innovationen oder umweltfreundlicher Technologien zutreffen. In diesem Fall kann der gesellschaftliche Nutzen einer solchen Beihilfe höher gewertet werden als die allenfalls daraus resultierende Wettbewerbsverfälschung.
Daher kennt beispielsweise das EU-Beihilfereicht weitreichende Ausnahmebestimmungen, insbesondere im Bereich des «Service public».
Im Anwendungsbereich des Luftverkehrsabkommens gibt es bereits heute mit dem EU-Recht vergleichbare Regeln über staatliche Beihilfen und eine Beihilfeüberwachung. Diese Überwachung wird künftig noch gestärkt.
Beim Landverkehrs- und beim Stromabkommen wird es sowohl materielle Regeln über staatliche Beihilfen, als auch eine Überwachung durch eine unabhängige Schweizer Behörde und Schweizer Gerichte geben. Dies ist im Vergleich zu heute eine Neuerung. Zudem wird Transparenz über die Ausgabe von Steuergeldern in den drei Bereichen (Land- & Luftverkehr sowie Strom) geschaffen.
Ziel ist, bestehende Beihilfen soweit als nötig abzusichern.
Ja. Sie werden auch im Rahmen des Paketansatzes nicht umfassend und per se dem EU-Beihilferecht unterstellt.
Relevant ist der Geltungsbereich der Binnenmarktabkommen Schweiz–EU, die Beihilfebestimmungen enthalten. In Betracht kommen nur die Bereiche Strom, Luft- und Landverkehr. Nur hier würden Beihilfebestimmungen zur Anwendung kommen.
Doch auch im Bereich dieser Abkommen bleibt der Service public möglich. Denn es gilt: Nicht alle Unterstützungsmassnahmen sind «staatliche Beihilfen» (bspw., wenn gar keine unternehmerische Tätigkeit vorliegt oder wenn keine grenzüberschreitenden Auswirkungen auf den Handel absehbar sind).
Dazu kommt: Das EU-Beihilferecht kennt ein grosses und dichtes Geflecht an Ausnahmebestimmungen, insb. im Bereich sogenannter «Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse» (bspw. Notfalldienste, Spitäler, Kinderbetreuung, sozialer Wohnungsbau etc.).
Staatliche Unterstützungsmassnahmen sollen dort möglich sein und zum Zug kommen, wo der Markt nicht funktioniert. Wo er hingegen spielt, liegt es auch im Interesse der wettbewerbsfähigen Schweiz, Wettbewerbsverzerrungen aufgrund staatlicher Unterstützungsmassnahmen zu minimieren. Eine Beihilfeüberwachung kann dabei helfen.
- In den Beziehungen zur EU stellt sich die Frage des Service public nur dort, wo es ein Binnenmarktabkommen mit Beihilfebestimmungen gibt.
- In Bereichen wie öffentliche Bildung, Kinderbetreuung, sozialer Wohnungsbau, Kultur oder Sport gibt es kein solches Abkommen. Der Paketansatz tangiert den Service public in diesen Bereichen daher nicht.
- Dazu kommt, dass auch in der EU das Beihilferecht weitreichende Ausnahmebestimmungen vorsieht, insbesondere im Bereich des Service public (in der EU: «Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse»).
- Ja, die Steuerautonomie bleibt gewährleistet: Jeder Kanton und jede Gemeinde kann weiterhin ein eigenes Steuersystem haben.
- Kommt es innerhalb dieses Systems aber bspw. zu selektiven Steuerbegünstigungen einzelner Unternehmen, dann kann das eine Beihilfe darstellen, die unter Umständen nicht vereinbar ist mit dem EU-Beihilferecht.
- Grundvoraussetzung wäre aber auch hier, dass ein Sektor betroffen sein muss, in dem die Schweiz und die EU ein Abkommen abgeschlossen haben, das Beihilferegeln umfasst.
- Nein. Der rein nationale Verkehr («Service public»), also der Verkehr ausschliesslich innerhalb der Schweiz, ist vom Landverkehrsabkommen nicht abgedeckt.
- Lediglich im Bereich des aktuell geltenden Anwendungsbereichs des LVA könnten Beihilferegeln allenfalls anwendbar werden. Das Abkommen betrifft den internationalen Strassen- und Schienenverkehr (Güter- und Personenverkehr).
- Ausserdem gibt es im EU-Beihilferecht zahlreiche Ausnahme- und Rechtfertigungsgründe für staatliche Beihilfen, z.B. für Abgeltungen des öffentlichen Verkehrs, die Förderung der Verlagerung etc.
Ja. Weder die Staatsgarantie für Kantonalbanken noch die Gebäudeversicherungen sind tangiert. In diesen Bereichen gibt es keine Binnenmarktabkommen mit der EU.
Landverkehr (UVEK)
Seit einiger Zeit können die Arbeiten an gewissen Dossiers im Bereich Landverkehr aufgrund der ungelösten institutionellen Fragen nicht vorangetrieben werden, bzw. die dafür notwendigen Anpassungen am Landverkehrsabkommen konnten nicht verhandelt werden.
Es handelt sich insbesondere um folgende Dossiers: Vollständige Umsetzung der technischen Säule des vierten EU-Eisenbahnpakets mit vereinfachten Zulassungsverfahren für Rollmaterial im internationalen Verkehr, Beitritt der Schweiz zur Eisenbahnagentur der EU (ERA) und Modernisierung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA).
Mit der Marktöffnung im internationalen Personenverkehr könnten EU-Unternehmen ohne Pflicht zur Kooperation mit Schweizer Eisenbahnverkehrsunternehmen Verkehrsdienste auf eigene Rechnung und im eigenen Namen in die Schweiz inkl. «Kabotage als Nebenzweck» anbieten (z.B. Berlin-Frankfurt-Freiburg-Basel-Bern). Dasselbe Recht stünde auch schweizerischen Eisenbahnverkehrsunternehmen im EU-Ausland zu.
Die Kooperationen der SBB mit EU-Bahngesellschaften können aber auch im Falle einer Marktöffnung im IPV weitergeführt und ausgebaut werden. Auch in der EU (bei all unseren Nachbarstaaten) ist das mehrheitlich der Fall. Die Zuständigkeit der Schweiz für die Zuweisung von Zugtrassen auf ihrem eigenen Territorium wird beibehalten. Der Vorrang des vertakteten Verkehrs und die Tarifintegration blieben auch bei einer Marktöffnung IPV abgesichert.
Die Schweiz kann zudem bei Bewilligungen bzw. Konzessionen Sozialstandards zugunsten der Arbeitnehmenden für alle Eisenbahnunternehmen (schweizerische und aus der EU, wie bspw. Flixtrain) festhalten. Die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen können weiterhin kontrolliert werden.
- In der Schweiz sind weiterhin höchstens 40-tönnige Lastwagen zulässig.
- Im Strassenverkehr dürfen im Ausland angemeldete Fahrzeuge weiterhin nur grenzüberschreitende Transporte von Personen und Gütern anbieten und nicht solche mit Start und Ziel in der Schweiz (Kabotageverbot).
- Das Nacht- und Sonntagsfahrverbot für Lastwagen bleibt.
- Die Alpeninitiative wird abgesichert (kein Ausbau der Strassenkapazitäten durch die Alpen).
- Die EU akzeptiert die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LSVA mit definierten höchstmöglichen Abgabesätzen.
Mit der Lösung der institutionellen Fragen soll die Schweiz Entwicklungen des EU-Rechts in Zukunft dynamisch übernehmen. Davon ausgenommen werden aber die folgenden, für die Schweiz wichtigen, Ausnahmen:
- Ausländische Eisenbahnunternehmen könnten zur Tarifintegration verpflichtet werden (1 Billett für 1 Reise, Anerkennung von Abos)
- Taktfahrplan: Der vertaktete Personenverkehr hätte Vorrang
- Schweizer Service public: Rein nationaler Verkehr (Fern-, Regional- und Ortsverkehr) fällt nicht in den Anwendungsbereich des Landverkehrsabkommens und ist von den Verhandlungen nicht betroffen.
Der Taktfahrplan und die Tarifintegration sind wichtige Errungenschaften des Schweizer Eisenbahnsystems. Sie sollen als Ausnahmen von der dynamischen Rechtsübernahme abgesichert werden. Die Qualität des schweizerischen öV soll durch die institutionellen Lösungen nicht beeinträchtigt werden.
Sollte es zu einer Öffnung des internationalen Schienenpersonenverkehrs kommen, würde diese kontrolliert geschehen:
Die CH kann den schweizerischen und ausländischen Verkehrsunternehmen weiterhin Vorgaben zugunsten der Arbeitnehmenden machen (orts- und branchenübliche Löhne, Arbeitsbedingungen). Die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen können weiterhin kontrolliert werden
Den CH Service public macht der rein nationale Verkehr (Fern-, Regional- und Ortsverkehr) aus. Dieser fällt aber nicht in den Anwendungsbereich des Landverkehrsabkommens und ist von den Verhandlungen nicht betroffen. Daher würden sich die EU-Beihilferegeln nicht auf den Service public auswirken.
Ausserdem gibt es im EU-Beihilferecht viele Ausnahme- und Rechtfertigungsgründe für staatliche Beihilfen, z. B. für Abgeltungen des öffentlichen Verkehrs, die Förderung der Verlagerung etc.
Ausländische Eisenbahnverkehrsunternehmen brauchen u.a. eine Konzession oder eine eidg. Bewilligung, um in der Schweiz gewerbsmässigen Personentransport durchführen zu können. Um diese zu erhalten, brauchen sie die entsprechende Trasse (Nutzungsrecht). Dabei gilt das gesetzlich geregelte Verfahren für die Vergabe von Trassen: Das Bahnunternehmen stellt einen Antrag für eine Trasse bei der Schweizerischen Trassenvergabestelle (tvs.ch). Diese prüft den Antrag und entscheidet entsprechend den gesetzlich geregelten Prioritäten: Taktverkehr hat Vorrang. Für die verschiedenen Verkehrsarten (Personenverkehr, Güterverkehr) ist eine Mindestzahl an Trassen reserviert (d.h. Netznutzungsplan). Wenn Konflikte zwischen zwei Gesuchen bestehen, sucht die Trassenvergabestelle eine einvernehmliche Lösung. Schliesslich wird die Trasse zugeteilt.
Die Trassen für die SBB und die anderen schweizerischen Transportunternehmen wären nicht gefährdet, weil der Taktverkehr Vorrang hat. Die SBB verfügen über eine Fernverkehrskonzession bis 2029 und damit über die entsprechenden Trassen. Der Regionalverkehr wird durch Bund und Kantone bestellt und ist als Taktverkehr auch geschützt. Es gibt keine rechtliche Möglichkeit, eine zugesicherte Trasse einem Unternehmen wegzunehmen.
Luftverkehr
Die Schweiz übernimmt ein bis zweimal pro Jahr per BR-Beschluss die neuesten Rechtsentwicklungen im Bereich Luftfahrt. Diese sind im Wesentlichen technischer Natur. Mit Übernahme der Rechtsakte in den Anhang des Luftverkehrsabkommens sind diese direkt in der Schweiz anwendbar.
Im Gegenzug sitzt die Schweiz in verschiedenen EU-Gremien ein und kann sich mit ihrem Expertenwissen in die Entwicklung der Gesetzgebung einbringen.
Es ist davon auszugehen, dass eine Deblockierung der Gewährung der Kabotagerechte anlässlich der Verhandlungen mit der EU erfolgen wird.
Die Teilnahme an SESAR 3 – einer europäischen Partnerschaft zur Modernisierung des Flugverkehrsmanagements - hängt mit der Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe zusammen. Ende März 2024 haben die CH und die EU-Kommission Verhandlungen über eine systematischere Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen aufgenommen. Diese Gespräche betreffen auch die Assoziierung der Schweiz an das Horizon-Paket 2021-2027.
MRA, Abbau technischer Handelshemmnisse
- Die Schweiz wird weiterhin auf eine rasche Aktualisierung des MRA drängen, insbesondere in Bezug auf Medizinprodukte.
- Eine Aktualisierung bleibt im Hinblick auf die Versorgungssicherheit mit Medizinprodukten in der Schweiz wichtig, aber auch um unnötige administrative Kosten für die Unternehmen zu vermeiden.
- Die Integration institutioneller Elemente ins MRA soll in Zukunft regelmässige Aktualisierungen sicherstellen.
- Die Unternehmen haben sich tatsächlich schnell angepasst. Schweizer Hersteller mussten Tochtergesellschaften in der EU gründen. Alle Produkte mussten mit den Namen und Kontaktdaten der Personen neu gekennzeichnet werden.
- 1200 ausländische Hersteller (von 5000) verzichteten auf eine Belieferung des Schweizer Marktes.
- In der Schweiz ausgestellte Produktzertifikate werden nicht mehr anerkannt. Es ist eine Zertifizierung in der EU notwendig, dabei mangelt es an Kapazitäten. Die vorherrschende Rechtsunsicherheit wirkt sich in der Schweiz negativ auf Investitionsentscheidungen aus.
Eine Aktualisierung des MRA würde es erlauben, unnötige administrative Kosten für die Unternehmen zu vermeiden, und dazu beitragen, die Versorgungssicherheit mit Medizinprodukten in der Schweiz zu verbessern.
In der EU ist die formelle Verabschiedung der Richtlinie über Sorgfaltspflichten für Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) noch ausstehend (Einigung im Trilog am 14.12.2023, die Verabschiedung im Europäischen Rat war jedoch am 28.02.2024 u.a. aufgrund des Widerstands von Deutschland nicht möglich). Diese sieht Sorgfaltspflichten sowie eine Haftung für Unternehmen ab einer bestimmten Grösse vor. Die Regeln werden auch für Unternehmen aus Drittstaaten wie der Schweiz gelten, die auf dem EU-Markt einen bestimmten Umsatz erzielen. Im Januar 2023 ist in der EU zudem die neue Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) in Kraft getreten. Diese erweiterte die bereits bestehenden Berichterstattungspflichten und gilt ebenfalls ab einem gewissen Schwellenwert auch für Unternehmen aus Drittstaaten.
Derzeit verfügt die Schweiz nicht über gleichwertige Regelungen. Momentan laufen Abklärungen, wie sich die CSDDD auf CH-Unternehmen auswirken wird und es ist noch offen, wie die Schweiz mit der CSDDD umgehen wird. In Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) hat der Bundesrat im September 2023 die Eckwerte für eine Vernehmlassungsvorlage beschlossen (s. MM). Diese soll sich inhaltlich an der CSRD orientieren und voraussichtlich Mitte 2024 verabschiedet werden.
Es ist kein direkter Bezug zwischen dem MRA und der CSDDD bzw. CSRD ersichtlich. Das MRA ermöglicht die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen für Industrieprodukte in 20 klar definierten Sektoren. Es ist kein Gefäss, um generell die Gleichwertigkeit von Regulierungen zwischen der Schweiz und der EU anzuerkennen. Weder CSDDD noch CSRD stehen einer Aktualisierung des MRA entgegen.
Politischer Dialog
Der bilaterale Weg zwischen der Schweiz und der EU hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark entwickelt. Er besteht heute aus einer Vielzahl von Abkommen. Der hochrangige Politische Dialog (auf Ministerebene) soll eine Gesamtsicht auf politischer Ebene bieten und der Koordination der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU dienen. Im Bereich Aussen- und Sicherheitspolitik existiert bereits ein politischer Austausch. Dieser wird gesondert beibehalten und intensiviert.
Für die einzelnen Abkommen bestehen sektorielle Gemischte Ausschüsse. Der Politische Dialog ersetzt die sektoriellen Gemischten Ausschüsse nicht, sondern ergänzt diese eher technischen Organe. Die bisherigen Kompetenzen der Gemischten Ausschüsse bleiben gewahrt.
Der hochrangige Politische Dialog ergänzt den sektorspezifischen Austausch im Rahmen der Gemischten Ausschüsse; er dient der Koordination der vielfältigen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Eine strategische Gesamtsicht ist ein wichtiges Element betreffend die Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs.
Finanzdialog (EFD)
Die Schweiz ist ein global tätiger Finanzstandort in Europa. Ein Austausch mit der EU in Fragen der Finanzmarktregulierung ist entsprechend bedeutend. Der Dialog dient dazu, regulatorische Anliegen von gemeinsamem Interesse zu besprechen.
Ein wichtiges Thema sind die Bedingungen für grenzüberschreitende Tätigkeiten, bspw. von Banken. Verbesserte Rahmenbedingungen und praktikable Ansätze für das grenzüberschreitende Geschäft in den EU-Raum sind ein Anliegen der Schweizer Finanzbranche.
Nein. Ein umfassendes Finanzdienstleistungsabkommen steht gegenwärtig nicht zur Diskussion.
Schweizer Beitrag
In den Verhandlungen sollen a) die Grundlage für den regelmässigen Schweizer Beitrag und b) das konkrete Fundament des nächsten Schweizer Beitrags geschaffen werden.
Erst nach Aushandlung des Abkommens im Rahmen des Gesamtpakets wird gesagt werden können, wie hoch der nächste Schweizer Beitrag sein wird. Die Höhe des Beitrags ist ein politischer Entscheid – wie es auch das Resultat der Verhandlungen zum Kohäsionsbeitrag Norwegens mit der EU war. Der zukünftige Beitrag wird also nicht auf einer mathematischen Formel basieren – wie dies bei Schengen der Fall ist, wo es einen BIP-Schlüssel gibt.
1. Schweizer Beitrag (Erweiterungsbeitrag): rund 1 Mia. CHF. 2. Schweizer Beitrag: rund 1,3 Mia. CHF. Beide über einen Zeitraum von je 10 Jahren. Zum Vergleich: Das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und der EU pro Wochentag beträgt rund 1 Mia. CHF.
Der neue Mechanismus und ein nächster Schweizer Beitrag sollen für die nächste EU-Finanzperiode bereit sein. Da die Schweiz und die EU in der Zwischenzeit aber schon vertieft zusammenarbeiten werden (Stichwort modus vivendi), soll dies beim nächsten Schweizer Beitrag berücksichtigt werden. Konkret: der nächste Schweizer Beitrag soll einmalig aufgestockt werden, um rückblickend auch die Zeitperiode zwischen Ende 2024 und dem Start des neuen Mechanismus zu berücksichtigen.
Seit 2007 beteiligt sich die Schweiz an der Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU sowie an der Bewältigung von Migrationsbewegungen. Der Beitrag also seit vielen Jahren Bestandteil der Schweizer Europapolitik.
Die Schweiz kann damit die Kohäsion und Stabilität in Europa unterstützen und dazu beitragen, gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen.
Er ist eine Investition in Sicherheit und Wohlstand in Europa. Zudem stärkt der Beitrag die Beziehungen zu den Partnerländern.
Ausserdem fördert er den Zusammenhalt und das Funktionieren des gemeinsamen Binnenmarkts. Das alles liegt auch im Interesse der Schweiz.
Stabilität und Zusammenhalt sind wichtige Voraussetzungen für ein gutes Funktionieren eines Binnenmarktes. Die Schweiz nimmt sektoriell am EU-Binnenmarkt teil und hat folglich ein Interesse, dass dieser gut funktioniert. Seit 2007 beteiligt sich die Schweiz an der Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU sowie an der Bewältigung von Migrationsbewegungen. Dies ist eine Investition in Sicherheit und Wohlstand in Europa.
Ja. Neben der Schweiz gibt es nur drei andere Drittstaaten, die – noch deutlich vertiefter - am EU-Binnenmarkt teilnehmen: die EFTA/EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein. Diese leisten im Rahmen des sogenannten EWR-«Finanzmechanismus» einen regelmässigen Beitrag an die Kohäsion in der EU. Das EWR-Abkommen enthält eine entsprechende Verpflichtung.
Die genaue Ausgestaltung des neuen Mechanismus wird Gegenstand der Verhandlungen mit der EU sein. Die Einhaltung der europäischen Werte und der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit ist für die Schweiz aber schon heute von zentraler Bedeutung bei der Umsetzung ihres Beitrags.