Förderung der gemeinnützigen Arbeit als alternativer Strafvollzug in Rumänien

Artikel, 13.09.2012

In Rumänien unterstützt die Schweiz durch den Erweiterungsbeitrag das Projekt „Community Service Workshops“ zur Förderung von gemeinnütziger Arbeit anstelle eines Gefängnisaufenthalts. Diese sozialintegrative und kostengünstige Strafform wird anhand vier Werkstätten angeboten und bietet den rumänischen Richtern eine Alternative zu einem Gefängnisaufenthalt für Kurzstrafen. Als Vorlage dient dabei ein Modell aus Zürich, welches in der Schweiz seit 1998 zum Vollzug von Kurzstrafen erfolgreich durchgeführt wird. Die zu Kurzstrafen verurteilten Personen können ihren Arbeitsplatz und das gewohnte Umfeld beibehalten, sie müssen nicht wieder eingegliedert werden, da es keinen Gefängnisaufenthalt gibt. Man rechnet auch mit einer geringeren Rückfallquote.

Das Projekt zur Wiedereingliederung von Straftätern anhand gemeinnütziger Arbeit läuft in Rumänien bereits seit 2007. Das Projekt wurde bis Mitte 2011 vom Kanton Zürich (Lotteriefonds) finanziert und vom privaten Verein zur Entwicklung der Bewährungshilfe in Osteuropa (VEBO) betreut. Im gleichen Jahr trat Rumänien der EU bei. Die bilaterale Zusammenarbeit der Schweiz mit Rumänien wird nun in Form des Schweizer Erweiterungsbeitrags fortgesetzt. VEBO gründete 2008 in Rumänien die Stiftung zur Förderung von Gemeinschaftsdiensten als Strafmassnahme (FPSC), welche das Projekt umsetzt.

Verwahrungsanstalten stossen an ihre Grenzen

Massnahmen zur Modernisierung des Justiz- und Vollzugssystems sind nicht nur in Rumänien dringlich. Viele Gefängnisse weltweit sind heute an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt und können ihre Aufgabe der Wiedereingliederung von Straftätern nicht mehr erfüllen. Als Folge davon steigen die Gefängniskosten laufend, die Rückfallquote ist hoch, und die allgemeine Sicherheitslage verschlechtert sich. Durch die Idee der Förderung von Gemeinschaftsdiensten anstelle von Haftstrafen soll eine echte Alternative zur Gefängniszelle aufgezeigt werden. Für diesen alternativen Strafvollzug kommen nur Delikte in Frage, welche mit einer bestimmten Anzahl von Tagen Verwahrung geahndet werden. In der Schweiz liegt diese Grenze beispielsweise bei maximal 180 Tagen Gefängnis.

Werkstatt
© DEZA

Gemeinnützige Arbeit ermöglicht eine erhöhte Chance zur sozialen Eingliederung, weil das bestehende soziale Netzwerk der Person erhalten bleibt, welches im Hinblick auf die Deliktprävention eine positive Rolle spielen kann. © DEZA

Gemeinnützige Arbeit als Chance für erfolgreiche Wiedereingliederung

Gemeinnützige Arbeit wird in der Freizeit, unentgeltlich und zum Wohle der Allgemeinheit geleistet. Dies geschieht in nicht-profitorientierten Institutionen wie Spitälern, Altersheimen, im Natur- und Umweltschutz oder im öffentlichen Dienst. Das soziale Netz der verurteilten Person bleibt erhalten, und der Erwerbstätigkeit kann weiterhin nachgegangen werden.

Ziel des Projektes ist es, verlässliche und effiziente Möglichkeiten für Gemeinnützige Arbeit für Straftäter mit Strafen bis zu 180 Tagen anbieten zu können und so diese Strafform in Rumäniens Vollzugssystem Schritt für Schritt zu etablieren. Zurzeit stellt diese Art von Sanktion noch eine ungenügende Alternative für die meisten rumänischen Richter dar, auch weil die dafür notwendigen Angebote und die Infrastruktur noch fehlen. Das Parlament hat eine Reform des Strafgesetzbuches bereits angenommen, die Reform ist jedoch noch nicht in Kraft getreten. Sobald dies der Fall sein wird, ist mit einem erheblichen Anstieg von gemeinnütziger Arbeit als alternative Strafvollzugsmassnahme zu rechnen. Dieses Projekt legt erste wichtige Grundsteine, damit auch genügend Plätze vorhanden sein werden.

Pilotwerkstätte in Brasov
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Die Pilotwerkstätte in Brasov wurde Ende 2008 eröffnet. Pro Jahr werden in dieser Werkstätte kurze Haftstrafen im Umfang von rund 10'000 Gefängnistagen mittels gemeinnütziger Arbeit abgearbeitet. © DEZA

Pilotwerkstätte in Brasov seit 2008 in Betrieb

Im Projekt kann auf Schweizer Fachwissen und Erfahrung im Anbieten von Gemeinschaftsdiensten zurückgegriffen werden. Die Zürcher Stiftung für Gefangenen- und Entlassenenfürsorge (ZSGE), welche solche Gemeinschaftsdienste in Zürich bereits seit 1998 anbietet, ist seit Beginn des Projektes 2007 an dessen Umsetzung beteiligt. Das Zürcher Modell diente dabei als Vorlage für die erste Werkstätte in der rumänischen Stadt Brasov (Kronstadt). Dort wurde Ende 2008 eine erste Pilotwerkstätte eröffnet, welche die Möglichkeit zur gemeinnützigen Arbeit anbietet. Pro Jahr werden in dieser Werkstätte kurze Haftstrafen im Umfang von rund 10'000 Gefängnistagen mittels gemeinnütziger Arbeit abgearbeitet. Dies entspricht einer jährlichen Gefängnisbelegung von rund 30 Plätzen.

Im Sommer 2012 besuchte eine Delegation von Schweizer Ständeräten die Werkstätte Brasov um sich vor Ort ein Bild zu machen. Sie waren vom Projekt sehr angetan. Weitere Werkstätten wurden Ende 2011 in Bukarest sowie im Juli 2012 in Timisoara eingeweiht, eine vierte Werkstätte ist in Planung und soll im Frühling 2013 ihre Tore öffnen.

elektrische und elektronische Geräte
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In der Werkstätte Brasov werden durch gemeinnützige Arbeit elektrische und elektronische Geräte wiederverwertet. Damit ergibt sich ein zusätzlicher ökologischer Nutzen. © DEZA

Arbeitsplatz und Umfeld bleiben bestehen

Gemeinnützige Arbeit ermöglicht eine erhöhte Chance zur sozialen Eingliederung, weil das bestehende soziale Netzwerk der Person erhalten bleibt, welches im Hinblick auf die Deliktprävention eine positive Rolle spielen kann. Die verurteilte Person kann seiner gewohnten Arbeit nachgehen und nach Feierabend oder an Wochenenden zusätzlich gemeinnützige Arbeit verrichten. Damit können zu Kurzstrafen verurteilte Personen ihren Arbeitsplatz und das gewohnte soziale Umfeld behalten und laufen so nicht Gefahr, nach einem Gefängnisaufenthalt ohne Arbeit und soziale Kontakte dazustehen. Die Gefahr einer erfolglosen Reintegration nach einem Gefängnisaufenthalt wird so deutlich gemindert, die Rückfallquote gesenkt Zusätzlich erlernen sie neue handwerkliche sowie soziale Fähigkeiten. Der Vollzug in den Werkstätten ist erheblich kostengünstiger als Gefängnisvollzug. Das entlastet den Staat. In Brasov werden elektrische und elektronische Geräte in Schad- und Wertstoffe zerlegt, deren Verkauf einen kleinen Beitrag an die Betriebskosten bringt. Da die Geräte umweltgerecht entsorgt werden, ergibt sich ein zusätzlicher ökologischer Nutzen.

Die gemeinnützige Arbeit an Stelle eines Gefängnisaufenthalts erfüllt somit gleich eine vierfache Funktion: Sie ist Strafe, Dienst an der Gemeinschaft, kostengünstige Strafform und Umweltschutz in einem.

Thomas Stauffer, Leiter des Büro Erweiterungsbeitrag in Bukarest, bei der Eröffnung der Werkstätte in Timisoara im Sommer 2012.
© DEZA

Thomas Stauffer, Leiter des Büro Erweiterungsbeitrag in Bukarest, bei der Eröffnung der Werkstätte in Timisoara im Sommer 2012. © DEZA

Die Schweiz beteiligt sich mit knapp einer Million Franken an diesem Projekt, welches noch bis 2014 dauert. Danach werden die involvierten Parteien eine umfassende Analyse der Projektresultate durchführen, auf deren Basis entschieden wird, ob das Projekt fortgeführt wird. Nebst Rumänien unterstützt die Schweiz durch den Erweiterungsbeitrag auch in der Tschechischen Republik ein Reintegrationsprojekt von jugendlichen Straftätern (siehe weiterführende Informationen und Dokumente).

Infobox: Das Projekt als Teil des thematischen Fonds Sicherheit

Das Projekt ist Teil des sogenannten thematischen Fonds Sicherheit, einer von insgesamt sieben Fonds, in deren Rahmen die DEZA in Rumänien Projekte umsetzt. Die Höhe des Fonds für Projekte im Sicherheitsbereich beträgt insgesamt 18 Millionen Schweizer Franken. In diesem Fonds wurden bis Ende August 2012 insgesamt 12 Projekte bewilligt, weitere werden folgen. Ein Projekt bekämpft beispielsweise den Menschenhandel und die Korruption, ein weiteres Projekt bildet Gemeindepolizisten in ländlichen Gebieten aus. Detaillierte Informationen können Sie der Projektdatenbank entnehmen. Für die Umsetzung dieser Fonds und den entsprechenden Projekten wurden jeweils Schweizer Institutionen beauftragt. Hier finden Sie eine Übersicht über die thematischen Fonds der DEZA zu Bulgarien und Rumänien sowie die dafür verantwortlichen Fondsverwalter.

Insgesamt werden durch den Schweizer Erweiterungsbeitrag zugunsten von Rumänien Projekte im Umfang von 181 Millionen Schweizer Franken umgesetzt.