Ein Heim für verlassene Kinder in Rumänien

Artikel, 21.09.2016

Wegen Armut – und nicht als Waisen – landen viele rumänische Kinder in einem Heim. Seit den 1990er-Jahren führen Mitglieder des schweizerisch-rumänischen Vereins für verlassene Kinder in Rumänien ein Kinderheim im siebenbürgischen Ghimbav. Das Kinderheim bietet diesen verlassenen Kindern ein familiäres Umfeld zum Aufwachsen.

Ein junger Mann und ein Junge beim Essen im Kinderheim PeCA.
Ein junger Mann, der selber im Kinderheim PeCA aufwuchs, hilft bei der Erziehung der kleineren Kinder im Heim DEZA

In den 1960er-Jahren hatte der rumänische Präsident Nicolae Ceaușescu die Vision eines möglichst grossen rumänischen Volkes. Deshalb stellte er Empfängnisverhütung und Abtreibung unter Strafe. Das Resultat waren viele Kinder, um die sich niemand kümmern wollte oder konnte. Es entstanden überfüllte Heime mit unmenschlichen Bedingungen. Die Situation war so prekär, dass viele Kinder auf die Strasse flüchteten. Aus diesem Grund setzten sich viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Vereine für die Verbesserung der Bedingungen in den rumänischen Kinderheimen ein. 

Der Verein PeCA und das Atelier Diversis

Der Verein PeCA (Pentru copii abandonati: Verein für verlassene Kinder in Rumänien) ist eine schweizerisch-rumänische Zusammenarbeit und wurde 1995 in Basel gegründet. Das Hauptziel des Vereins besteht in der Unterstützung sozialer Projekte zugunsten verlassener Kinder in Rumänien. PeCA führt ein Kinderheim in Ghimbav, wo verlassene Kinder durch materielle und fachliche Unterstützung in die rumänische Gesellschaft integriert werden sollen. Zwanzig Jahre nach der Gründung des Kinderheims engagieren sich auch immer mehr Rumäninnen und Rumänen freiwillig für das Heim. Die Arbeit der Zivilgesellschaft leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Wohlergehen der verlassenen Kinder in Rumänien. Nebst dem Kinderheim hat PeCA 2013 das Nähatelier Diversis ins Leben gerufen. Im Atelier Diversis gehen Kinder und Jugendliche handwerklich-gestalterischen Aktivitäten nach. Ausserdem bietet die Schneiderwerkstatt geschützte Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Personen in schwierigen Verhältnissen und für junge Erwachsene, die in einem Heim aufgewachsen sind. Damit soll den ehemaligen Heimkindern der Einstieg ins Berufsleben erleichtert werden. Die Schweiz hat die Gründung dieses Ateliers im Rahmen des Partnerschaftsfonds des Erweiterungsbeitrags unterstützt. 

Verlassene Kinder in Rumänien

Rund 60‘000 Kinder in Rumänien sind in staatlicher Obhut. Davon befinden sich ungefähr ein Drittel in Kinderheimen und zwei Drittel bei Pflegefamilien. Jährlich kommen rund 1‘500 Kinder neu in ein Heim. Die wenigsten dieser Kinder sind Waisen, die meisten werden vorübergehend aus Armutsgründen in ein Heim bzw. zu Pflegeeltern gebracht. Damit die Kinder in möglichst familienähnlichen Strukturen aufwachsen, sind sie bei PeCA in kleine Gruppen eingeteilt, die in einem eigenen Haushalt leben. Die Kinder bleiben in vielen Fällen im Heim, bis sie erwachsen sind oder sogar bis sie ihr Studium beendet haben. Oft besuchen die ehemaligen Schützlinge die PeCA-Stiftung als Erwachsene weiterhin – genauso wie andere Kinder ihre Eltern besuchen, nachdem sie ausgezogen sind. Einige unterstützen die Stiftung sogar bei der Erziehung der Kinder, wenn es personelle Engpässe gibt.

Blog Stories of Renewal

Dieser Artikel  über das Heim für verlassene Kinder in Rumänien basiert auf dem rumänischen Blog Stories of Renewal, der 2015 im Rahmen des rumänisch-schweizerischen Kooperationsprogramms entstanden ist. Der rumänische Journalist Victor Kapra und die rumänische Fotografin Cătălina Filip haben Menschen aus Projekten, die mit dem Schweizer Erweiterungsbeitrag unterstützt werden, zu Wort kommen lassen und fotografiert.

Der Schweizer Erweiterungsbeitrag finanziert die besuchten Projekte durch den Partnerschafts- und Expertenfonds und den Thematischen Fonds für die Partizipation der Zivilgesellschaft. Ziel dieser zwei Fonds ist es einerseits, bestehende und neue Partnerschaften zwischen rumänischen und schweizerischen Organisationen und Gemeinden zu unterstützen und Schweizer Fachwissen an rumänische Institutionen zu vermitteln. Andererseits fördern die Fonds die aktive Teilnahme der Zivilbevölkerung an  der rumänischen Gesellschaft.

Der Erweiterungsbeitrag an Rumänien

Rumänien ist einer der 13 Staaten, welcher der EU seit 2004 beigetreten ist und damit vom Schweizer Erweiterungsbeitrag unterstützt wird. Der Erweiterungsbeitrag trägt zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten innerhalb der EU bei. Der Schweizer Beitrag an Rumänien beträgt 181 Millionen CHF und wurde 2009 vom Schweizer Parlament verabschiedet. Mit dem Erweiterungsbeitrag setzt die Schweiz in Rumänien rund 60 Projekte um. Ein besonderer Schwerpunkt bei den Projekten liegt auf der Gründung von Partnerschaften zwischen der Schweiz und Rumänien.