Forschungszusammenarbeit zwischen der Schweiz und Polen

Artikel, 24.09.2012

Im Rahmen des schweizerischen-polnischen Forschungsprogramms beteiligen sich unter anderem zwei Berner Forschungsteams an Projekten zur Prävention von Hochwassern und zur Thematik des Klimawandels. Insgesamt werden durch das Programm rund 40 Forschungsprojekte finanziert, welche von schweizerischen und polnischen Universitäten und Forschungsinstitutionen gemeinsam durchgeführt werden. Der Gesamtbetrag dieses Forschungsprogramms beläuft sich auf rund 30 Millionen Schweizer Franken.

Im Forschungsbereich hat die Schweiz im internationalen Vergleich eine führende Rolle inne. Die neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unternehmen ebenfalls grosse Bemühungen, ihr Potenzial auf dem Weg zu einer wissensbasierten Wirtschaft zu stärken. Oft bestehen jedoch Mängel in der Infrastruktur, der Ausrüstung oder aber die institutionellen Strukturen und die internationale Vernetzung sind verbesserungsfähig. Hier bietet sich für schweizerische Forschungsinstitutionen eine Gelegenheit, im Rahmen diverser Forschungsprogramme des Erweiterungsbeitrags ihr Wissen einzubringen und so den neuen Mitgliedstaaten bei der Entwicklung im Forschungsbereich helfend zur Seite zu stehen.

Treibholz
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Treibholz kann bei Hochwasserereignissen mobilisiert werden; es können Verklausungen an Brücken und anderen Engpässen auftreten. Das Aufkommen und der Transport von Schwemmholz werden im Rahmen eines der Forschungsprojekte untersucht. © DEZA

So sind unter anderem zwei Institute der Universität Bern im Rahmen des Schweizerisch-Polnischen Forschungsprogramm an Projekten beteiligt, welche zur Prävention von Hochwassern und zur Erforschung vergangener und zukünftiger Auswirkungen der Klimaveränderungen beitragen, Themen, welche nicht erst seit den gravierenden Überschwemmungen unter anderem in Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik im Sommer 2010 oder der Kältewelle zu Beginn dieses Jahres auf keinen Fall vernachlässigt werden dürfen, insbesondere nicht im Forschungsbereich.

Labor für Dendrogeomorphologie
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Das Labor für Dendrogeomorphologie des Geologischen Instituts der Universität Bern ist weltweit das Grösste seiner Art. Im Forschungsbereich hat die Schweiz im internationalen Vergleich eine führende Rolle inne. © DEZA

Ein Mitarbeiter des Oeschger Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern
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Ein Mitarbeiter des Oeschger Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern bei der Untersuchung einer Sedimentprobe aus einem polnischen See. © DEZA

Ein Projekt zur Vorbeugung von Hochwassern in Polen

Das Labor für Dendrogeomorphologie des Geologischen Instituts der Universität Bern rekonstruiert geomorphologische Prozesse wie Hochwasser, Steinschläge, Lawinen oder Erosionen durch die Analyse von Jahrringuntersuchungen von Bäumen. Einschneidende geomorphologische Ereignisse hinterlassen in den Baumringen deutlich sichtbare Spuren. Anhand der gewonnenen Rückschlüsse können für zukünftige Ereignisse Risikoanalysen erstellt werden. Im besten Fall können somit drohende Naturkatastrophen frühzeitig erkannt und entsprechende Massnahmen zum präventiven Schutz ausgearbeitet werden. Das Labor in Bern ist weltweit das Grösste seiner Art und verfügt bereits über reichhaltige internationale Erfahrung. In diesem Forschungsprojekt tritt es als Partner der Polnischen Akademie der Wissenschaften sowie der polnischen Universität Szelesia auf.

Forschungszusammenarbeit bedeutet auch gegenseiter Wissensaustausch

Dr. Markus Stoffel, Leiter des Labors in Bern, bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem polnischen Partner als sehr gut. Er sieht dabei auch einen Nutzen für das Labor für Dendrogeomorphologie. Die Polnische Akademie der Wissenschaften ist sehr erfahren im Bereich der sogenannten „Schwemmdynamik“. Dieser Ausdruck bezeichnet Treibholz, welches Überschwemmungen zusätzlich begünstig, indem es zum Beispiel unter Brücken gestaut wird und somit zu Überschwemmungen beiträgt.

Das Projekt begann im August 2011 und dauert noch bis 2016, das Projektbudget beträgt rund 900‘000 Schweizer Franken. Auch nach Abschluss des Projektes ist eine weitere Zusammenarbeit zwischen dem Labor des Geologischen Instituts der Universität Bern und der Polnischen Akademie der Wissenschaften der Universität Szelesia vorgesehen.

Klimaänderungen der Vergangenheit als Schlüssel für die Zukunft

Mit klimageschichtlichen Methoden forscht auch das Oeschger Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern an einem Projekt. Auf polnischer Seite sind dabei unter der Leitung der Universität Danzig ein Netzwerk von fünf Universitäten und der Polnischen Akademie der Wissenschaften beteiligt. Zusammen sollen Aussagen über den Klimawandel in Polen in den letzten eintausend Jahren möglich gemacht werden. Als Klimaarchiv dienen dem Forscherteam Sedimente aus polnischen Seen. Ziel des Projektes sind schliesslich möglichst genaue Kenntnisse über die Ursachen und Auswirkungen von vergangenen und aktuellen Klimaänderungen und somit die Reduktion von Unsicherheiten bezüglich des zukünftigen Klimas in Polen und Europa generell.

Dieses Projekt dauert von August 2011 bis Juni 2015, das Projektbudget beträgt knapp eine Million Schweizer Franken. Laut Professor Martin Grosjean vom Oeschger Zentrum in Bern bestand die Idee einer Zusammenarbeit mit dem polnischen Partner bereits seit über zehn Jahren. Erst 2008 und im Wissen des Schweizerisch-Polnischen Forschungsprogramms wurde dieser Idee schliesslich Leben eingehaucht.

Die Klimaentwicklung Polens ist ein wichtiger Indikator für das europäische Klima

Einschneidende geomorphologische Ereignisse wie Hochwasser hinterlassen ihre Merkmale in den Jahresringen von Bäumen.
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Einschneidende geomorphologische Ereignisse wie Hochwasser hinterlassen ihre Merkmale in den Jahresringen von Bäumen. Anhand der gewonnenen Rückschlüsse können für zukünftige Ereignisse Risikoanalysen erstellt und präventive Schutzmassnahmen ausgearbeitet werden. © DEZA

In der zwei-jährigen Feldforschungsphase werden Sediment- und Wasserproben aus fünfzig polnischen Seen entnommen, von welchen einige bis zu 1000 Jahre zurückreichen. Polen eignet sich besonders, weil es sehr viele Seen gibt und das Klima von Polen besonders im Winter repräsentativ für grosse Teile von Mittel– und Osteuropa ist. Zahlreiche dieser Seen bilden seit tausenden von Jahren saisonale Ablagerungen, die – ähnlich wie Baumringe in Seen – Klima- und Umweltinformationen in sehr hoher und präziser zeitlicher Auflösung speichern. An den Sedimenten werden anschliessend Mikrofossilien (zum Beispiel Pollenkörner und Kieselalgen) und biogeochemische Komponenten untersucht, um daraus Sommer- und Wintertemperaturen und Niederschläge für das letzte Jahrtausend zu rekonstruieren. So kann herausgefunden werden, wie das Klima Polens auf natürliche und sogenannte anthropogene Störungen (Sonnenaktivität, Vulkanausbrüche, Treibhausgasemissionen) reagiert hat. Dies wiederum dient zur Verminderung der Unsicherheiten für die mögliche Klimaentwicklung in den nächsten hundert Jahren.

Labor
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Info-Box

Mit Hilfe der Schweizer Forschungsprogramme in Bulgarien, Litauen, Polen, Rumänien und Ungarn sollen die betroffenen Länder als Forschungsstandorte gefördert, der wissenschaftliche Austausch mit der Schweiz intensiviert und die akademische Laufbahn für junge Akademikerinnen und Akademiker interessanter gestaltet werden. Der Schweizer Betrag an diese Forschungsprogramme beläuft sich dabei auf rund 60 Millionen Schweizer Franken. Rund die Hälfte dieser Mittel steht für die schweizerisch-polnische Forschungszusammenarbeit zur Verfügung, in deren Rahmen rund 40 Projekte in den Bereichen„Informations- und Kommunikationstechnologie“, „erneuerbare Energien“, „Nanotechnologie“, „Gesundheit“ sowie „Umwelt“ umgesetzt werden.

Die im Rahmen des Schweizer Erweiterungsbeitrags gesprochenen Gelder für die jeweiligen Forschungsprojekte werden hauptsächlich für Personalkosten aufgewendet. Hinzu kommen Laborkosten für spezifische Verbrauchsmaterialien sowie Reisespesen.