05.04.2017

Manuel Sager Direktor Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA

Rednerin/Redner: Manuel Sager

Geschätzte Gäste, liebe Organisatorinnen und Organisatoren 

Vor ein paar Monaten stand ein Artikel über die Integration der Flüchtlinge in diesem Kanton in der Aargauer Zeitung. Es ging um ein Treffen von 220 Flüchtlingen, die in der Aarauer Schachenhalle darüber diskutierten, wie sie besser am Schweizer Leben teilnehmen könnten. Die folgende Aussage einer jungen Eritreerin regte mich besonders zum Nachdenken an: „Es macht mir nichts aus, wenn die anderen Mütter auf dem Spielplatz nicht mit mir sprechen. Aber wenn sie ihre Kinder vom Spiel mit meinem Sohn wegziehen, dann tut mir das weh für ihn.“ Diese Worte einer jungen Mutter berührten mich sehr. Sie führten mir wieder einmal vor Augen, wie wichtig es doch ist, die Flüchtlinge, die meist aus grosser Not zu uns kommen, zu integrieren und auch zu verstehen.

Sehr verehrte Damen und Herren - derzeit sind so viele Menschen auf der Flucht wie schon seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, und zwar 65 Millionen. Eine immense Zahl, die für uns oft abstrakt bleibt, ohne dass wir uns wirklich Gedanken darüber machen, welche Schicksale eigentlich dahinterstecken. Ohne uns bewusst zu sein, was es bedeutet, dass das Achtfache der Schweizer Bevölkerung ihre Heimat verlassen musste. 65 Millionen Menschen! Das ist die gesamte Bevölkerung Frankreichs, die auf der Suche nach Schutz und einer besseren Zukunft ihr Hab und Gut und alles, was ihnen lieb war, zurücklassen mussten. Aber wie sehr wir auch versuchen, uns in die Situation dieser Menschen hineinzuversetzen, so ist es doch fast unmöglich, ihre Beweggründe, Ängste und Sorgen und auch ihre Perspektivenlosigkeit zu verstehen. Die Entwurzelung, der Verlust von Sicherheit und Geborgenheit, die Hilflosigkeit angesichts des Erlebten erschüttert viele zutiefst und weckt Emotionen, die die wenigstens von uns kennen. 

Und genau aus diesem Grund, sehr verehrte Damen und Herren, sind solche Ausstellungen sehr wichtig. Denn nur so können wir das Leben, die Schicksale und vielleicht sogar die Emotionen der vertriebenen Menschen ein klein wenig nachvollziehen. Nur so können wir uns vorstellen, was es bedeutet monate- oder gar jahrelang auf der Flucht zu sein, lebensbedrohliche Risiken einzugehen, ausgebeutet, verschleppt oder misshandelt zu werden. 

Die Ausstellung FLUCHT vermittelt uns aber nicht nur, was es heisst, auf der Flucht zu sein; sie zeigt auch die Herausforderungen, mit denen die Flüchtlinge in einem vermeintlich sicheren Drittland konfrontiert sind. Denn auch hier bleibt Ungewissheit. Oft haben die Flüchtlinge einen unsicheren Aufenthaltsstatus und wenig Zukunftsperspektiven. Nicht selten stossen sie auf Ablehnung und werden ausgegrenzt, wie auch die junge Mutter aus Eritrea. Sie sind geplagt von der Sorge um die Zurückgelassenen, sind mit der hiesigen Kultur nicht vertraut und sind orientierungslos. Sie müssen sich ein neues Leben aufbauen und dazu benötigen sie unsere Hilfe und Verständnis. 

Meine Damen und Herren, die Schweiz sieht natürlich nicht tatenlos zu und setzt sich für diese hilfsbedürftigen Menschen ein – und das tun wir nicht nur mit Nothilfe sondern es ist uns auch wichtig, Perspektiven vor Ort zu schaffen. Vor kurzem erst besuchte ich eines der grössten Flüchtlingslager der Welt im Norden Kenias, wo über 190.000 Menschen leben. Die Schweiz hat dort ein Berufsbildungsprogramm für Flüchtlinge sowie für die lokale Bevölkerung lanciert. Es war beeindruckend zu sehen, wie diese Menschen mit unserer Unterstützung einen Beruf erlernen, mit dem sie später nicht nur ihren Lebensunterhalt bestreiten, sondern ihre Zukunft wieder in ihre eigenen Hände nehmen können. 

Wie auch in Kenia finden die meisten unserer Aktivitäten in den Krisenländern selbst sowie in deren Nachbarländern statt, denn nur ein Bruchteil der Menschen in Not gelangt nach Europa. Ganze zwei Drittel der vertriebenen Menschen bleiben in ihrem Heimatland, und 80 Prozent von dem verbleibenden Drittel sucht Zuflucht in den Nachbarländern. 

Liebe Museumsbesucherinnen und –besucher, Ausstellungen wie diese zeigen, dass die Schweiz auch nicht wegschaut, wenn Menschen auf ihrer Flucht in unser Land kommen. Wir alle können zusammenhelfen, um diesen Menschen ihre Integration zu erleichtern, sie zu akzeptieren und auch zu verstehen. Sie sollen sich nicht so ausgegrenzt fühlen wie die junge eritreische Mutter und ihr Kind. 

Besten Dank


Dernière mise à jour 29.01.2022

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