Artikel, 10.07.2015

Gastbeitrag von Botschafter Michael Gerber, «Mehr und «besseres» Geld» (NZZ, 10. Juli 2015 © NZZ AG)

Michael Gerber
„Das Potenzial, Finanzflüsse aus allen möglichen Quellen für eine nachhaltige Entwicklung nutzbar zu machen, ist gross“, sagt Michael Gerber, Schweizer Verhandlungsleiter für die Post-2015-Agenda und für Entwicklungsfinanzierung. ©

Vom 13. bis 16. Juli treffen sich ungefähr 7‘000 Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen, Politik, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Wissenschaft aus aller Welt in der äthiopischen Metropole. Anlass dazu ist die dritte internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, bei der es um nichts Geringeres geht als die Schaffung eines Rahmenwerks für die Finanzierung und Umsetzung einer neuen, äusserst ambitionierten Agenda für nachhaltige Entwicklung für alle Länder der Welt. Die Schweiz engagiert sich für die Förderung neuer und innovativer Finanzierungsmodelle, um zum Gelingen dieses Vorhabens beizutragen.

Der Austragungsort der dritten Entwicklungsfinanzierungskonferenz könnte nicht symbolträchtiger sein. Vor zehn Jahren gehörte Äthiopien noch zu den ärmsten Ländern der Welt. Inzwischen hat dieses Land eindrückliche Fortschritte gemacht und sich vorgenommen, bis 2020 zu einem Land mittleren Einkommens aufzusteigen – und dies auf klimaneutrale Weise. So hat Äthiopien Vorbildcharakter für viele Entwicklungsländer in Afrika und darüber hinaus. Wird es dem Land gelingen, diese Vorreiterrolle mit dem Erfolg zu krönen, den Startschuss für den Umschwung zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung zu geben?

Diese Bürde wiegt schwer und die Aufgabe ist nicht ganz einfach, zumal sich die Verhandlungen im Vorfeld der Konferenz schwierig gestaltet haben. Seit Monaten ringen die Staaten an der UNO in New York um einen Konsens. Fragen wie einheimische Finanzmittel besser für die Entwicklung mobilisiert werden können, wie gleich lange Spiesse im globalen Handel sichergestellt, unlautere Finanzflüsse unterbunden, in internationalen Steuerfragen wirksamer zusammengearbeitet werden kann, wie hoch die Entwicklungshilfe ausfallen soll oder wie der Technologietransfer von Industrie- in Entwicklungsländer erleichtert werden kann: Addis soll in allen diesen Problemfeldern Lösungen anbieten – Lösungen, die den Ländern des Südens im internationalen Wettbewerb mehr Gestaltungsspielraum und Einflussmöglichkeiten einräumen sollen, ohne zugleich den OECD-Ländern zu grosse Konzessionen abzuverlangen. Und als wäre dies nicht bereits genug, soll das zu schaffende Rahmenwerk die Umsetzungs- und Finanzierungsinstrumente für die neuen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals SDGs) definieren.

Die im Entstehen begriffenen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verlangen einen Paradigmenwechsel in der internationalen Zusammenarbeit. Es soll nicht länger nur darum gehen, die Armut in den ärmsten Ländern der Erde zu bekämpfen. Vielmehr soll zugleich in allen Ländern eine sozialverträgliche und umweltschonende Wirtschaft gefördert werden. Die universelle Natur des neuen Zielrahmens nimmt somit alle Staaten in die Pflicht, weshalb sich auch in der Diskussion über die Umsetzung und Finanzierung der Ziele nicht mehr so einfach zwischen Geber und Nehmer unterscheiden lässt. Diese Debatte kommt zur richtigen Zeit. Denn längst ist das Paradigma von „Nord finanziert Süd“ überholt: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Ländern des „Südens“ nimmt stetig an Bedeutung zu, Entwicklungshilfe macht nur noch einen Bruchteil der Finanzflüsse in Entwicklungsländer aus und private Investitionen, Geldüberweisungen von Migranten in ihre Herkunftsländer sowie innovative Finanzierungsinstrumente werden immer wichtiger.

Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass diese Finanzierungskanäle künftig effektiver genutzt werden, um die nachhaltige Entwicklung zu fördern. Denn um den globalen Umschwung zu einer nachhaltigen Entwicklung in wirtschaftlicher, sozialer und umweltpolitischer Hinsicht zu schaffen, braucht es nicht nur mehr Geld als bisher, es braucht auch „besseres“ Geld. Das Potenzial, Finanzflüsse aus allen möglichen Quellen für eine nachhaltige Entwicklung nutzbar zu machen, ist gross. Deshalb wird die Schweiz auch in Addis Abeba dafür eintreten, dieses Potenzial in den kommenden Jahren tatsächlich zu erschliessen. Nur wenn dies gelingt, können die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung bis 2030 erreicht werden. Doch ob es tatsächlich gelingt, hierfür an der dritten Entwicklungsfinanzierungskonferenz die Weichen zu stellen, hängt nicht zuletzt auch vom politischen Willen der Staatengemeinschaft ab. Und genau dieser steht in Addis Abeba auf dem Prüfstand.

Michael Gerber ist Schweizer Verhandlungsleiter für die Post-2015-Agenda und für Entwicklungsfinanzierung

Gastbeitrag von Botschafter Michael Gerber, «Mehr und «besseres» Geld» (NZZ, 10. Juli 2015 © NZZ AG) (PDF, 1 Seite, 608.2 kB, Deutsch)

Letzte Aktualisierung 13.01.2023

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