"Eine geschlechtergerechte Welt kommt allen zugute"

Artikel, 31.05.2019

Im Mittelpunkt der Konferenz Women Deliver 2019 (WD2019) vom 3. bis 6. Juni 2019 in Vancouver (Kanada) stehen neue Erkenntnisse und Lösungen für eine geschlechtergerechte Welt. Es handelt sich um die weltweit grösste Konferenz über Geschlechtergleichstellung und über Gesundheit und Rechte von Frauen und Mädchen. Ein breites Spektrum von Vertreterinnen und Vertretern von Regierungen, Parlamenten, der Privatwirtschaft, nichtstaatlichen Organisationen und der Vereinten Nationen, junge Menschen, Journalisten sowie die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit treffen sich zu einem Erfahrungsaustausch zur weltweiten Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Katja Iversen, Präsidentin und CEO von Women Deliver, erklärt, warum dieses Ziel für die nachhaltige Entwicklung wichtig ist. Die DEZA unterstützt die Tätigkeiten von Women Deliver, unter anderem auch die Konferenz.

Katja Iversen tanzt an einer Zeremonie in Kenya.
Katja Iversen nimmt mit der Organisation Amref (Kenia) an einer alternativen Übergangszeremonie in Lenkisem teil. © Jeroen van Loon, 2018

Frau Iversen, braucht die Welt eine weitere Konferenz über Geschlechtergleichstellung?

Schauen wir uns die heutige Welt einmal an: 

  • Jede zweite Minute stirbt irgendwo auf der Welt eine Frau während der Schwangerschaft oder der Entbindung;

  • jede dritte Frau wird in ihrem Leben Opfer von sexueller Gewalt;

  • nur 29 Prozent der Länder haben die Geschlechterparität auf der Stufe der weiterführenden Schulen verwirklicht;

  • 214 Millionen Frauen haben keinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln und können nicht entscheiden, ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen wollen;

  • Frauen sind in praktisch allen Schaltzentralen der Macht – Unternehmensvorstände, Parlamente, Regierungen – untervertreten;

  • nur in etwa 11 Prozent der Länder ist das Staats- oder Regierungsoberhaupt eine Frau, und global sind nur 4 Prozent der CEOs Frauen.

Das muss und darf nicht so bleiben!

In Mädchen und Frauen zu investieren, ist nicht nur eine Frage der Menschenrechte, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht intelligent. Investitionen in Mädchen und Frauen tragen dazu bei, dass die Welt gesünder, reicher, gerechter, friedlicher und produktiver wird.

Die Bedeutung der Konferenz Women Deliver 2019 reicht deshalb weit über das hinaus, was sich im Kongresszentrum von Vancouver vom 3. bis 6. Juni ereignen wird. Die Konferenz lanciert einen globalen Dialog und spornt unsere globale Bewegung an, die Geschlechtergleichstellung auf allen Ebenen und auf der ganzen Welt voranzutreiben. 

Wie wichtig ist die Unterstützung der Schweiz via die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit?

Die Unterstützung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ermöglicht Women Deliver, Einfluss auf Politiken und Investitionen zugunsten der Geschlechtergleichstellung sowie der Gesundheit und Rechte von Mädchen und Frauen zu nehmen, wozu auch sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte gehören (SRHR). Zudem können wir Forschungsarbeiten lancieren und unsere Advocacy-Werkzeuge abstimmen. Advocacy ist ein schrittweiser, oft langsamer Prozess, während Forschungserkenntnisse überzeugende Argumente für Investitionen liefern. Wichtig ist auch, dass man die effizientesten Ansätze kennt und darauf aufmerksam macht. Dank dieser Unterstützung wird Women Deliver ein tragfähiges Fundament für Massnahmen schaffen, das von allen relevanten politischen Ebenen und allen relevanten Kreisen mitgetragen wird. 

Die Geschlechtergleichheit gilt zunehmend als wesentlich, um die Armut in der Welt zu besiegen. Erkenntnisse aus aller Welt bestätigen, dass Investitionen in Mädchen und Frauen einen Welleneffekt mit vielen Vorteilen auslösen – für die einzelnen Frauen, aber auch für Familien, Gesellschaften und Länder. Zudem ist die Geschlechtergleichstellung ein wichtiger Faktor im Hinblick auf ein breitenwirksames Wirtschaftswachstum und die Verwirklichung der Ziele der Agenda 2030. Die Unterzeichnung der Agenda 2030 markierte einen Wendepunkt: Mädchen und Frauen wurden weltweit in den politischen Fokus gerückt. 193 Länder, darunter die Schweiz, haben sich verpflichtet, bis 2030 jegliche Form von Geschlechterungleichheit zu beseitigen. Die Schweiz und die Welt verpflichteten sich, nicht nur auf Systemebene anzusetzen, sondern auch die zugrunde liegenden Ursachen der Ungleichheit zu bekämpfen. Dazu gehört Ungleichheit überall, auch zu Hause. 

Obwohl es heute mehr evidenzbasierte Erkenntnisse gibt, besteht breites Einvernehmen darüber, dass die dürftige Datenlage und die mangelhafte Datenbearbeitung die Lobbyarbeit für Geschlechtergleichstellung zur Verbesserung der Gesundheit, der Rechte und des Wohlergehens von Mädchen und Frauen erschweren. Zu Mädchen und Frauen in fragilen Kontexten und humanitären Notlagen gibt es noch weniger Daten. Ohne ausreichende Belege zum Ausmass des Problems und dessen Folgen für Mädchen und Frauen ist es jedoch schwierig, die Entscheidungsträger zum Handeln zu veranlassen. 

Die Konferenz findet nur alle drei Jahre statt. Wie trägt sie konkret zur Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung bei?

Die Konferenz Women Deliver 2019 wird aufzeigen, wie sich die Machtverhältnisse verschieben. Sie präsentiert das erfolgreiche Engagement junger Menschen, das Konzept der Intersektionalität und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit, und sie bringt Menschen verschiedener Generationen, Regionen und Sektoren zusammen. Wir werden felderprobte Praktiker und CEOs, Staatsoberhäupter und Nachwuchsführungskräfte auf der Bühne begrüssen und bekannte wie auch unbekannte Stimmen hören.

Um die Bedeutung der Geschlechtergleichstellung zu demonstrieren, wird die WD2019 Forschungsarbeiten, Fallstudien, Lösungen und Erfahrungsberichte beleuchten, die zeigen, dass eine geschlechtergerechte Welt allen zugutekommt. Und um zu praktizieren, was wir predigen und gezielt in Frauenorganisationen und SRHR zu investieren, wurde das WD2019-Programm von über 150 Organisationen gemeinsam gestaltet; zudem unterstützen wir 1000 Personen aus der ganzen Welt bei der Anreise und/oder Anmeldung. Die WD2019 wird die Delegierten mit den Menschen, Ressourcen und Ideen zusammenbringen, die ihre zukünftige Arbeit inspirieren sollen.

Women Deliver verfolgt diese ehrgeizige Vision aber nicht alleine. Mit fast 9000 Personen und über 2700 vor Ort vertretenen Organisationen sowie mehr als 100’000 Teilnehmenden am globalen Dialog überall auf der Welt wird die WD2019 erfolgreich sein – dank den engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern der verschiedenen Länder, Sektoren und Generationen.

Wir werden Advocacy-Aktivisten und Entscheidungsträger zusammenführen, Massnahmen auf globaler und auf Länderebene vorantreiben und die Gleichstellungsfragen auf der globalen Agenda beeinflussen. Wir hoffen, dass wir gemeinsam die Welt inspirieren können, Macht für einen guten Zweck zu nutzen, die Bedeutung der Geschlechtergleichstellung darzulegen und gezielt in Frauenorganisationen und SRHR zu investieren. 

Website der Konferenz Women Deliver

Katja Iversen ist Präsidentin und CEO von Women Deliver, einer führenden Organisation, die sich für Investitionen in die Geschlechtergleichstellung und die Gesundheit und Rechte von Mädchen und Frauen weltweit einsetzt. Ein spezieller Fokus liegt auf der sexuellen und reproduktiven Gesundheit von Müttern und den damit verbundenen Rechten. Die international anerkannte Expertin für Entwicklung, Anwaltschaft und Kommunikation besitzt über 25 Jahre Berufserfahrung bei NGOs, Unternehmen und Organisationen der Vereinten Nationen. Sie war als Leiterin der strategischen Kommunikation und des öffentlichen Advocacy bei der UNICEF tätig. Zuvor leitete sie während knapp sechs Jahren das Team für Advocacy und Kommunikation über reproduktive Gesundheit beim Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA). Sie besitzt einen Master in Kommunikation, einen Bachelor in Verwaltungswissenschaft sowie Diplome in Management, Konfliktbeilegung und internationaler Entwicklung. Katja Iversen war über 20 Jahre lang in der globalen Entwicklungsarbeit tätig und ist in den Vereinten Nationen, in Entwicklungskreisen und in den globalen Medien sehr gut vernetzt. Sie hat zahlreiche Führungskräfte von Fortune 500 im Bereich interkulturelles Management und interkulturelle Kommunikation beraten. Zudem ist sie Mitglied des G7-Beirats für Gleichstellungsfragen von Präsident Macron, des Beirats für Nachhaltigkeit von Unilever sowie der MIT Women & Technology Solve Leadership Group. Zudem ist sie ein International Gender Champion. Katja Iversen wurde 2018 zur Dänin des Jahres gekürt, als eine der Top 10 unter den 100 einflussreichsten Personen in der Genderpolitik. Daneben ist sie eine gefragte Dozentin und Referentin. 

MIT Frauen und Technologie Leadership (en)

Dänin des Jahres 2018 (en)

Apolitical’s einflussreichste Menschen in der Geschlechterpolitik (en)