Schweizer Hilfe in der Ukraine: viel Krisen-Management und noch mehr Flexibilität

Die Schweiz passt ihr Engagement der internationalen Zusammenarbeit an die durch den russischen Angriff entstandene Situation an. Bestehende Kontakte und Ressourcen werden genutzt, um die gestiegenen Bedürfnisse der humanitären Hilfe zu erfüllen. Projekte, die vor dem 24. Februar 2022 entstanden sind, werden in Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen beziehungsweise den Behörden angepasst und ausgebaut. Drei Stimmen zur internationalen Zusammenarbeit vor Ort.

Zwei Frauen packen Lebensmittel ein. Auf einem Tisch im Vordergrund liegen Pakete mit Pasta.

Die Schweiz reagiert nicht nur in der Ukraine sondern unterstützt auch deren Nachbarländer. Beispielweise verpackt das von der DEZA in Moldova unterstützte Projekt «Catalyst Kitchens» seit dem russischen Angriff Foodpakete für die Ukraine. © EDA

«Wir sind hier, wir arbeiten», versichert Mariia Druzhynina, Programmverantwortliche im Team internationale Zusammenarbeit der Schweizer Botschaft in Kyiv. In ihrem Video-Statement betont sie, die oberste Maxime laute «Flexibilität». Mariia Druzhynina, die ins Nachbarland Moldova geflohen ist und ihre Arbeit von dort aus fortsetzt, wähnt sich noch immer in einer Art Albtraum und hat Mühe zu begreifen, dass ein Ausbruch der Gewalt, wie ihn ihre Heimat derzeit erlebt, im 21. Jahrhundert passieren kann. 

Mariia Druzhynina, National Programme Officer

Zweieinhalb Monate nach der temporären Schliessung hat die Schweiz am 19. Mai ihre Botschaft in der Ukraine wieder eröffnet. Seit dem 28. Februar war sie aus Sicherheitsgründen geschlossen, ohne den Betrieb zu unterbrechen. Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des EDA sind nach Kyiv zurückgekehrt. Dieser Entscheid erfolgte nach eingehender Analyse der Sicherheitslage.

Schweiz passt ihre Unterstützung in der Ukraine an

Vor dem 24. Februar 2022 war die Schweiz in der Ukraine mit mehreren Instrumenten der internationalen Zusammenarbeit (IZA) in den Bereichen «Frieden, Schutz und Demokratische Institutionen», «Städtische Entwicklung», «KMUs und Wettbewerbsfähigkeit» sowie «Gesundheit» aktiv. Seit Beginn der militärischen Aggression Russlands arbeitet nicht nur das IZA-Team der wieder eröffneten Botschaft in Kyiv im Krisen-Modus: Flexibel nutzen alle Mitarbeitenden ihre Ressourcen und ihre Kontakte, um möglichst effizient Hilfe vor Ort zu leisten. Dabei kommt auch die während der Covid-19-Pandemie gewonnene Erfahrung mit digitalen Arbeitsformen zum Einsatz.

Ilona Postemska, Senior National Programme Officer

Ein paar Beispiele von Anpassungen, mit denen die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) auf die neuen Umstände reagiert:

  • Seit Mitte April sind mehrere Mitarbeitende der humanitären Hilfe in der westukrainischen Stadt Lviv tätig. Vor Ort arbeiten Spezialisten des SKH an der Umsetzung der mittelfristigen Hilfe in den Bereichen Wasser, Gesundheit und Schutz (Protection). Das humanitäre Unterstützungspaket stützt sich auf das laufende Kooperationsprogramm ab und ist komplementär zu diesem.
  • Bewährte Projekte werden angepasst und laufen weiter. An Bahnhöfen im Westen der Ukraine, an denen Züge aus dem umkämpften Osten eintreffen, werden beispielsweise Vertriebene von mobilen Care-Teams in Empfang genommen, die für das Schweizer Projekt «Mental Health for Ukraine» arbeiten. Dieses Projekt hatte vor der militärischen Aggression das Ziel, die Reform des ukrainischen psychischen Gesundheitssystems zu unterstützen und Gesundheitspersonal auszubilden. Das Projekt erhält nun eine Zusatzfinanzierung aus der Schweiz und wird ausgebaut.
Im Bahnhof Iwano-Frankiwsk wurde ein Empfangszentrum eingerichtet.
An Bahnhöfen im Westen der Ukraine werden Vertriebene von mobilen Care-Teams in Empfang genommen, die für das Schweizer Projekt «Mental Health for Ukraine» arbeiten. © EDA
  • Das Projekt DECIDE hatte zum Ziel, die Dezentralisierung im ukrainischen Schulsystem zu fördern. Während der Covid-19-Pandemie entstand dabei die Plattform «All-Ukrainian Online School», die Schülerinnen und Schülern virtuelles Schulmaterial zur Verfügung stellt. Seit dem Angriff auf die Ukraine wird diese Plattform von vielen Kindern genutzt, die ansonsten keine Schule besuchen können. Zudem wurden im Rahmen des Projekts Schulen und Kindergärten als temporäre Unterkünfte für Menschen genutzt, die innerhalb des Landes vertrieben wurden.
  • Grosse Bedeutung für intern Vertriebene hat auch das Projekt EGAP, das ukrainische Gemeinden dabei unterstützt, ihre Dienstleistungen zu digitalisieren: Intern Vertriebene Personen nutzen eine Plattform, die vom Projekt unterstützt wird, um sich zu registrieren und somit weiterhin öffentliche Dienstleistungen zu bekommen.
Olena Faibushevych, Administrative Officer

Mit diesen krisenbedingten Anpassungen und den Hilfslieferungen der Humanitären Hilfe sind nun die Rahmenbedingungen für die Schweiz geschaffen, den vom Krieg betroffenen Menschen gezielt zu helfen und weiterhin als die flexible und vertrauenswürdige Partnerin zu gelten, als die sie in der Ukraine bekannt und geschätzt ist. 

Das Schweizer Engagement in der Ukraine

Die Ukraine ist ein Schwerpunktland der internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz. Eine diplomatische Beziehung und Kooperation im Entwicklungsbereich besteht zwischen den beiden Ländern seit den 1990er-Jahren.

Nach der Annexion der Krim 2014 wurde das Schweizer Engagement, welches durch DEZA, SECO und Abteilung Frieden und Menschenrechte (AFM) des EDA umgesetzt wird, deutlich ausgebaut.

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