«Im Jahr 2013 konnten wir die Aufmerksamkeit auf die globale Wasserkrise lenken»

Artikel, 23.12.2013

Interview mit François Münger

Mit dem Jahr 2013 geht auch das Internationale Jahr der Zusammenarbeit im Bereich Wasser zu Ende. François Münger, Chef des Globalprogramms Wasser-Initiativen der DEZA, zieht Bilanz.

Das ganze Jahr 2013 war dem Thema Wasser gewidmet. Welches war das wichtigste Ergebnis?
Vor allem die grössere Sichtbarkeit des Themas auf internationaler Ebene und in der Schweiz. Dank dem Internationalen Jahr konnte die Bedeutung des Wassers für das 21. Jahrhundert in Erinnerung gerufen, aber auch die Aufmerksamkeit auf die globale Wasserkrise gelenkt werden: Im 20. Jahrhundert hat sich die Weltbevölkerung verdreifacht, der durchschnittliche Wasserverbrauch dagegen versechsfacht. Es ist davon auszugehen, dass der Verbrauch bis 2030 um weitere 30% zunimmt. Gemäss aktuellen Prognosen wird bis 2030 knapp die Hälfte der Menschheit in Gebieten mit Wasserknappheit leben.

Hat die politische Aufmerksamkeit dieses Jahr zugenommen?
Ja, das Thema Wasser findet mehr Beachtung, vor allem die Aspekte Wasserbewirtschaftung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Vorher wurde das Thema Wasserbewirtschaftung weniger beachtet als Fragen im Bereich der Trinkwasserversorgung und der Abwasserreinigung. Wasser kann heute nicht mehr als unerschöpfliche Ressource betrachtet werden. Andererseits gab es bei den internationalen Konferenzen in Duschanbe und Budapest Fortschritte bezüglich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Wasserbewirtschaftung. Dieser Bereich ist ein ebenso heikler wie wichtiger Punkt in einer Zeit, da die Menschheit so viele Staudämme baut wie nie zuvor und der Wasserverbrauch immer weiter zunimmt.

Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass Wasser zu einem zentralen nachhaltigen Entwicklungsziel für die Zeit nach 2015 erklärt wird. Was will die Schweiz erreichen?
Die Schweiz möchte, dass das Thema Wasser, primär die Bereiche Versorgung und Bewirtschaftung, aber auch die Reduktion der Abwasserbelastung und die Abwasserreinigung, zu einem Ziel der Post-2015-Agenda wird. Sie ist überzeugt, dass dieses Thema aufgrund der zahlreichen und vielfältigen Herausforderungen zu einer internationalen Priorität erhoben werden sollte.

Welche Rolle spielt die Schweiz dabei?
Die Schweiz hat in Zusammenarbeit mit den Niederlanden, Liberia, Jordanien und Mosambik die weltweiten Konsultationen zum Thema Wasser koordiniert. An den Konsultationen waren zahlreiche Akteure beteiligt, vor allem Staaten, internationale Organisationen und Vertreter der Zivilgesellschaft. Aus diesem Prozess von bisher unbekannter Dimension ist ein Konsens hinsichtlich der Bedeutung eines Wasserziels sowie seiner Komponenten hervorgegangen. Im Oktober 2012 war der Gedanke an ein Wasserziel praktisch inexistent, heute besteht ein internationales Bewusstsein dafür. Die Schweiz wird sich in den kommenden zwei Jahren dafür einsetzen, dass im Rahmen der Post-2015-Agenda ein Wasserziel verabschiedet wird.

Was hat die DEZA 2013 in der Schweiz unternommen?
Wir haben die wichtigen Anlässe dieses Jahres genutzt, um das Thema Wasser sichtbar zu machen und das Engagement der Schweizer Akteure zu fördern. Unsere Entwicklung in der Schweiz beruht auf dem Wasser der anderen: Das Wasser, das zur Herstellung von in der Schweiz konsumierten Gütern und Dienstleistungen verwendet wird, stammt zu über 80 % aus dem Ausland, oft aus Ländern, die bereits unter Wasserknappheit leiden. Wir haben während des ganzen Jahres ein blaues «&»-Zeichen verwendet, das für die Zusammenarbeit im Wasserbereich steht. Mit diesem Symbol haben wir die Schweizer Akteure sensibilisiert.
Die DEZA unterstützt im Übrigen verschiedene Plattformen, auf denen soziale Unternehmer, Gemeinden und Wasserwerke, der öffentliche und private Sektor, NGOs und Hochschulen aktiv werden können: Die Swiss BlueTec Bridge und das CEWAS richten sich an Start-ups, die Plattform Solidarit’eau setzt sich in den Gemeinden für einen Solidaritätsrappen für jeden in der Schweiz verkauften Kubikmeter Wasser ein, und die Swiss Water Partnership fördert namentlich den Dialog zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, ohne jedoch die Unterschiede zu verheimlichen.

Welche konkrete Rolle spielt die DEZA bei der Unterstützung der verschiedenen Plattformen?
Das ist unterschiedlich. Manchmal kommt die Initiative von der DEZA, manchmal unterstützt sie entstehende Strukturen. Auf jeden Fall leisten wir viel mehr als finanzielle Unterstützung. Wir bringen unsere strategische Vision und unser Know-how als Entwicklungsspezialisten ein. Wir wollen, dass diese Strukturen wachsen und an Einfluss gewinnen, damit die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Wasserkrise bewältigt werden können.

Arbeiten Sie auch im Feld mit Schweizer Akteuren zusammen?
Ja. Das Globalprogramm Wasser-Initiativen arbeitet in verschiedenen Ländern mit grossen Unternehmen zusammen, vor allem Schweizer Firmen, damit diese den Wasserverbrauch ihrer Produktionskette reduzieren. Gleichzeitig unterstützen wir ein Spin-off-Unternehmen der ETH Lausanne, das eine ISO-Norm zum Wasserfussabdruck von Unternehmen erarbeitet.
Wir arbeiten zum Beispiel auch bei einem Pilotprojekt in Tansania mit Schweizer Hochschulen zusammen. Bei diesem Projekt, das später auf Kirgisistan und Usbekistan ausgedehnt wird, geht es darum, die Erhebung von Daten zu erleichtern, die für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen von zentraler Bedeutung sind, vor allem für die Ministerien. Die Weltbank ist dabei eine wichtige Partnerin. Es gehört zu unserer Strategie, mit Akteuren zusammenzuarbeiten, die unsere Innovationen übernehmen können, wenn sie sich bewährt haben.

Hintergrundinformationen

Die Generalversammlung der UNO hatte das Jahr 2013 zum Jahr der Zusammenarbeit im Bereich Wasser erklärt. Ziel war es insbesondere, in Fachkreisen – aber auch in der breiten Öffentlichkeit – das Bewusstsein für die Bedeutung einer besseren Zusammenarbeit zu stärken und die globalen Herausforderungen der Wasserbewirtschaftung deutlich zu machen. Das Thema Wasser stand nicht nur an der Eröffnungs- und der Schlussfeier in Paris und Mexiko im Zentrum, sondern war das ganze Jahr hindurch ein wichtiger Schwerpunkt.

Das 2008 gegründete Globalprogramm Wasser-Initiativen leistet einen Beitrag zur Bewältigung der grossen globalen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung von Wasserressourcen, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Trinkwasser, die Abwasserentsorgung und die Nutzung von Wasser für Landwirtschaft und Industrie. Die bestehenden Initiativen mit ihrem Fokus auf Ungleichheit und Armut tragen zur Reduktion der Risiken bei.

Die DEZA unterstützt seit über dreissig Jahren Projekte im Wasserbereich.

Weiterführende Informationen und Dokumente