«Risikomanagement ist zu einem globalen Thema geworden»

Artikel, 11.03.2015

Nach Einsätzen unter anderem als Koordinator des DEZA-Büros auf Sri Lanka betreut Philipp Beutler heute das Thema Katastrophenvorsorge innerhalb der DEZA. Er ist Mitglied der Schweizer Delegation an der Konferenz in Sendai (Japan), wo ein neuer internationaler Aktionsrahmen zur Verringerung der Katastrophenrisiken diskutiert und verabschiedet werden soll.

Philipp Beutler vor einer Risikokarte.
Philipp Beutler hat für die DEZA den Vorbereitungsprozess des Gipfels von Sendai verfolgt, der vom 14. bis zum 18. März 2015 stattfindet. © DEZA

Philipp Beutler, was erwarten Sie vom Weltgipfel in Sendai?
Das Treffen dürfte den Standpunkt, den wir bei der DEZA vertreten, massgeblich stützen, wonach die Thematik der Katastrophenrisiken Bestandteil jeder Entwicklungsstrategie sein muss. Nur so besteht eine Chance, dass die von der DEZA eingesetzten Mittel – beispielsweise in einem Partnerland – nicht von einem Tag auf den anderen durch eine Katastrophe zunichte gemacht werden. Der Gipfel von Sendai wird den Regierungen die Notwendigkeit vor Augen führen, der Katastrophenvorsorge Priorität auf ihrer Agenda einzuräumen. In diesem Sinne ist es eine glückliche Fügung, dass der Gipfel Anfang dieses Jahres stattfindet: 2015 ist ein entscheidendes Jahr für die Verabschiedung der neuen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Ein weiterer Höhepunkt wird der Klimagipfel in Paris sein.

Genau: Das Risiko von Naturkatastrophen wird häufig mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Zu Recht?
Tatsache ist, dass bestimmte Regionen häufiger von extremen Klimaereignissen betroffen sind als früher. Solche Ereignisse sind verantwortlich für mehr als 80% der Naturkatastrophen der letzten dreissig Jahre, mit entsprechenden Auswirkungen auf die erforderliche humanitäre Hilfe. Zu den Risiken gehören aber auch Erdbeben, Vulkanausbrüche, Erdrutsche oder soziale und politische Konflikte, die damit einhergehen können. Ziel ist es, die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung gegenüber Katastrophen zu erhöhen, damit sie diese besser bewältigen kann. Die Staaten respektive Gemeinschaften, die über die wirtschaftlichen Mittel verfügen, sollen in das Risikomanagement investieren, indem sie z. B. Schutzmassnahmen oder Versicherungsformen entwickeln, welche die Verletzlichkeit der Menschen verringern. Wir müssen die Armut aus der Perspektive der Risikominderung bekämpfen. Zahlreiche Projekte der DEZA gehen in diese Richtung. Ein Blick zurück zeigt, dass das Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereits 1976 den Einsatz von «Vorbeugungsmassnahmen» postulierte.

Kommen wir zurück zum Gipfel von Sendai: Vor zehn Jahren wurde ein erster Aktionsrahmen verabschiedet – was kann die zweite Ausgabe da konkret noch bringen?
Zunächst einmal konkretere Verfahren und Engagements für ein mit allen Akteuren abgestimmtes Risikomanagement. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der erste Aktionsrahmen von einer kleinen Gruppe von Ländern, hauptsächlich aus dem Norden, vorgelegt worden war. Zehn Jahre danach ist das Risikomanagement zu einem globalen Thema geworden. Neben einer ganzen Reihe von Spezialorganisationen haben sich eine Vielzahl von Regierungen aus aller Welt aktiv an den vorbereitenden Diskussionen und den Verhandlungen beteiligt.

Verhandlungen? Ist man sich bezüglich der Vorbeugung von Risiken denn nicht einig?
Grundsätzlich schon, ja. Die vielen thematischen Konsultationen, die regionenweise durchgeführt und 2013 schliesslich in Genf für eine erste Bilanz zusammengetragen wurden, verliefen weithin einhellig. Es gibt aber noch offene Fragen. Sie betreffen insbesondere die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Ländern des Nordens und den Ländern des Südens, die Aufgaben und Kapazitäten der verschiedenen beteiligten Akteure und die Finanzierung des Risikomanagements. All diese Überlegungen zeigen, dass das Thema heute bei den Staaten Priorität geniesst.

Welche Rolle spielte die Schweiz konkret bei der Vorbereitung des Gipfels in Sendai?
Die Schweiz hatte einen der beiden für die Gruppe der westlichen Länder reservierten Sitze im Vorbereitungsausschuss inne. Dadurch konnte sie direkt Einfluss nehmen auf die Ausarbeitung des neuen Aktionsrahmens, der in Japan verabschiedet wird. Wir haben diese Einflussmöglichkeit genutzt, um sicherzustellen, dass die Stimme der Länder gehört wird, die am stärksten von Naturkatastrophen und den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Dabei war das in Genf ansässige Sekretariat der Vereinten Nationen für Risikominderung (United Nations Office for Disaster Risk Reduction, UNISDR) einer unserer wichtigsten Ansprechpartner. Auf nationaler Ebene hatte die DEZA den Auftrag, Konsultationen durchzuführen, um einen gemeinsamen «Schweizer» Standpunkt der verschiedenen Akteure wie EDA, Bundesamt für Umwelt, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und SECO, aber auch der Universitäten, des Privatsektors und der Nationalen Plattform Naturgefahren (Nationale Plattform Naturgefahren, PLANAT) zu definieren.